Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
Polizisten!›
‹Das ist ja der junge Herr von Potzdorff!›, sagte der Wirt mit wachsendem Erstaunen.
‹Was denn! Ein Edelmann, der mit Hammer und Meißel meinen Koffer aufbricht – unmöglich! ›
Inzwischen kam Herr von Potzdorff wieder zu sich, am Schädel eine Beule, dick wie eine Saucenkelle; die Offiziere trugen ihn fort, der herbeigeholte Richter verfasste über die Angelegenheit ein Protokoll, und ich verlangte eine Abschrift, die ich sogleich meinem Botschafter sandte.
Den folgenden Tag wurde ich in meinen Räumen unter Hausarrest gehalten, und man schickte mir eine Heerschar von Anwälten, Offizieren und Beamten auf den Hals, die mich einschüchtern, verwirren, bedrohen und beschwichtigen sollten. Ich sagte, Du hättest mir wahrheitsgemäß erzählt, man habe Dich durch Entführung in den Dienst gepresst, ich sei der Meinung gewesen, man habe Dich entlassen, und Du seist mit den besten Empfehlungen versehen zu mir gekommen. Ich appellierte an meinen Gesandten, der verpflichtet war, mir zu helfen, und um es kurz zu machen: Der arme Potzdorff ist jetzt auf dem Weg nach Spandau, und sein Onkel, der ältere Potzdorff, hat mir fünfhundert Louis
gebracht, verbunden mit der demütigen Bitte, Berlin sofort zu verlassen und über diese peinliche Sache zu schweigen.
Am Tag nachdem Du dieses Schreiben erhältst, treffen wir uns in den ‹Drei Kronen›. Lade Mr Lumpit zum Abendessen ein. Sei nicht sparsam mit Deinem Geld – Du bist mein Sohn. In Dresden kennt jeder Deinen geneigten Onkel
le Chevalier de Balibari»
Durch diese wundersamen Umstände war ich also endlich wieder frei, und ich habe mich an den damals gefassten Beschluss gehalten, nie wieder einem Werber in die Hände zu fallen und fortan und für immer ein Gentleman zu sein.
Dank dieser Geldsumme und einer feinen Glückssträhne, die sich bald einstellte, war es uns möglich, eine durchaus vornehme Figur abzugeben. Mein Onkel kam rasch zu mir nach Dresden ins Hotel, wo ich mich unter dem Vorwand einer Krankheit bis zu seinem Eintreffen ruhig verhalten hatte; und da der Chevalier de Balibari am Hof zu Dresden in besonders gutem Ruf stand (er war mit dem verstorbenen Monarchen, Kurfürsten und König von Polen 216
eng vertraut gewesen, dem ausschweifendsten und angenehmsten aller europäischen Fürsten), befand ich mich sehr bald in der allerbesten Gesellschaft der sächsischen Hauptstadt, und ich darf wohl sagen, dass meine Persönlichkeit und Manier sowie die einzigartigen Abenteuer, deren Held ich gewesen war, mir ein besonderes Willkommen eintrugen. Es gab keine Feier des Adels, zu der die beiden Herren von Balibari nicht eingeladen wurden. Ich hatte die Ehre, vom Kurfürsten gnädig bei Hof empfangen zu werden und seine Hand küssen zu dürfen, und ich schilderte meiner Mutter in derart glühenden Worten mein Wohlbefinden, dass die liebe Seele beinahe ihr himmlisches Wohlergehen und ihren Beichtiger, den Reverend Joshua Jowls, vergessen hätte, um zu mir nach Deutschland zu kommen; in jenen Tagen war das Reisen jedoch sehr schwierig, daher blieb uns das Eintreffen der lieben Dame erspart.
Ich glaube, die Seele meines Vaters, Harry Barry, der immer so vornehme Neigungen gehegt hatte, muss ob der Stellung, die ich nun einnahm, frohlockt haben. Alle Frauen begierig, mich zu empfangen, alle Männer erzürnt; beim Speisen Seite an Seite mit Herzögen und Grafen, Menuett tanzen mit hochwohlgeborenen
Baronessen (wie sie sich in Deutschland unsinnigerweise nennen), mit lieblichen Exzellenzen, nein, gar mit Hoheiten und Durchlauchten – wer konnte es denn überhaupt mit dem kühnen jungen irischen Edelmann aufnehmen? Wer hätte denn geglaubt, dass ich sieben Wochen zuvor noch ein Gemeiner war – pah! Ich schäme mich, daran auch nur zu denken! Einen der ersprießlichsten Momente meines Daseins erlebte ich bei einer großen Gala im kurfürstlichen Palast, als mir die Ehre zuteilwurde, mit keiner Geringeren als der Markgräfin von Bayreuth, 217 des alten Fritzen eigener Schwester, eine Polonaise zu schreiten – des alten Fritzen, dessen abscheuliche blaue Frieslivree 218 ich getragen, dessen Gürtel ich mit Pfeifenton gereinigt, dessen ekelhafte Rationen Dünnbier und Sauerkraut ich fünf Jahre lang hinuntergewürgt hatte.
Als er beim Spiel von einem italienischen Gentleman einen englischen Wagen gewann, ließ mein Onkel unser Wappen prächtiger als je zuvor auf die Schläge malen, darüber (wir stammten ja von den alten Königen ab) eine
Weitere Kostenlose Bücher