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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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irische Krone, überaus strahlend und vergoldet. Statt eines Adelskrönchens ließ ich diese Königskrone in einen großen Amethyst ritzen,
den ich als Siegelring am Zeigefinger trug; und ich will gern zugeben, dass ich behauptet habe, dieses Kleinod befinde sich seit mehreren tausend Jahren im Familienbesitz und habe ursprünglich Seiner verblichenen Majestät König Brian Boru 219 oder Barry gehört. Ich versichere Ihnen, die Legenden des Heroldsamtes 220 sind nicht authentischer, als es die meinen waren.
    Zunächst hielten der Gesandte sowie die Gentlemen der englischen Botschaft uns zwei irische Edelleute auf Abstand und bezweifelten unseren Rang. Der Botschafter 221 war zwar der Sohn eines Lords, aber auch der Enkel eines Krämers, und auf dem Maskenball bei Graf Lobkowitz 222 sagte ich ihm, dass ich dies wisse. Mein Onkel – ganz der vornehme Gentleman, der er ja war – kannte den Stammbaum jeder wichtigen Familie in Europa. Er sagte, dies sei das einzige einem Gentleman geziemende Wissen; daher verbrachten wir, wenn wir nicht mit dem Kartenspiel beschäftigt waren, Stunden über Gwillim oder D’Hozier, lasen Genealogien, prägten uns Wappen ein und machten uns mit den Verwandtschaftsverhältnissen unserer Klasse vertraut. Ach, diese edle Wissenschaft gerät zunehmend in Verruf, ebenso das Kartenspiel; wie jedoch ein Mann von Ehre ohne derlei
Studium und Zeitvertreib überhaupt existieren kann, mag ich mir kaum vorstellen.
    Mein erster Ehrenhandel, ausgetragen mit einem Mann von unstrittiger Vornehmheit, dem jungen Sir Rumford Bumford von der englischen Botschaft, betraf die Frage meines Adels; mein Onkel hatte gleichzeitig dem Botschafter eine Forderung geschickt, doch lehnte es dieser ab, sie anzunehmen. Als ich Sir Rumford ins Bein schoss, vergoss mein Onkel, der mich als Sekundant begleitete, Freudentränen; und ich kann Ihnen versichern, dass danach keiner der jungen Gentlemen jemals wieder die Echtheit meines Stammbaums bezweifelte oder über meine irische Krone lachte.
    Welch ein herrliches Leben wir nun führten! Dass ich zum Gentleman geboren war, begriff ich dank der Leichtigkeit, mit der ich dieses Geschäft aufnahm, und ein Geschäft ist es ohne Zweifel. Es mag wie das reine Vergnügen erscheinen, doch kann ich allen von niederer Herkunft, die dies zufällig lesen, versichern, dass wir, wiewohl ihnen weit überlegen, genauso arbeiten müssen wie sie; vielleicht stand ich erst mittags auf, aber hatte ich denn nicht bis lange nach Mitternacht am Spieltisch gesessen? Oft kamen wir erst zum Schlafen heim, wenn die
Truppen zur Morgenparade hinausmarschierten; wie gut es meinem Herzen dann tat, die Hörner vor Tagesanbruch die réveille 223 blasen zu hören oder die Regimenter zum Exerzieren hinausmarschieren zu sehen und zu wissen, dass ich nicht mehr dieser widerwärtigen Disziplin unterworfen, sondern wieder in meinen natürlichen Stand versetzt war.
    Dies wurde mir so schnell zur Gewohnheit, als hätte ich mein Leben lang nie etwas anderes getan. Ich hatte einen Gentleman, der mich bediente, einen französischen friseur , 224 der morgens mein Haar besorgte; beinahe intuitiv war mir der Geschmack von Chocolade vertraut, und ich konnte nach nicht einmal einer Woche meines neuen Daseins zwischen der spanischen und der französischen Zubereitung genau unterscheiden; ich trug Ringe an allen Fingern, Uhren in beiden Uhrentaschen, Stöcke, Geschmeide und Schnupftabaksdosen jeder Art, und eine eleganter als die andere; von allen mir bekannten Männern hatte ich den von Natur aus besten Geschmack bei Spitze und Porzellan. Ich beurteilte ein Pferd ebenso kundig wie jeder jüdische Rosstäuscher in Deutschland; beim Schießen und athletischen Übungen hatte ich nicht meinesgleichen; ich konnte nicht buchstabieren,
sprach aber fließend Deutsch und Französisch; ich besaß mindestens zwölf vollständige Anzüge – drei waren üppig mit Gold bestickt, zwei mit Silbertressen besetzt –, einen granatfarbenen Umhang aus Samt, mit Zobel gesäumt, einen französischgrauen mit Silberspitzen und Chinchillasaum. Ich nahm Gitarrenstunden und sang ganz ausgezeichnet französische Liedchen. Wahrlich, welcher Gentleman wäre vollkommener gewesen als Redmond de Barry?
    Alle meinem Stande zukömmlichen Schwelgereien ließen sich natürlich nicht ohne Kredit und Geld verwirklichen, zu dessen Beschaffung  – da unsere Vorfahren unser Erbe ja vergeudet hatten und wir selbst über Vulgarität, Langwierigkeit und

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