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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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zweifelhafte Chancen des Handels erhaben waren – mein Onkel eine Pharaobank betrieb. Unser Partner war ein Florentiner, Graf Alessandro Pippi, wohlbekannt an sämtlichen europäischen Fürstenhöfen, einer der geschicktesten Spieler aller Zeiten, doch erwies er sich schließlich als trüber Schurke, denn ich musste feststellen, dass sein Grafentitel bloße Hochstapelei war. Wie ich bereits erwähnt habe, war mein Onkel verkrüppelt; Pippi war wie alle Hochstapler ein Feigling; das Einzige, was sozusagen den Ruf unserer Firma aufrechterhielt
und manchen ängstlichen Spieler zum Schweigen brachte, der beim Begleichen seiner Verluste hätte zögern können, war meine unübertroffene Handhabung des Degens und die Bereitschaft, ihn einzusetzen. Wir spielten jederzeit mit jedem auf Ehrenwort – das heißt, mit jedem von Ehre und edler Abkunft. Nie drangen wir auf unseren Gewinn und lehnten es auch nicht ab, Wechsel statt Gold anzunehmen. Aber wehe dem, der nicht zahlte, wenn der Wechsel fällig wurde! Redmond de Balibari erwartete ihn zuverlässig mit dem Papier in der Hand, und ich versichere ihnen, es gab sehr wenige säumige Schuldner; im Gegenteil, viele Gentlemen waren dankbar für unsere Langmut, und unser Ruf der Ehrenhaftigkeit war makellos. Später beliebte es einem vulgären nationalen Vorurteil, über den Charakter von Ehrenmännern, die das Geschäft des Spielens betreiben, zu lästern; ich rede jedoch von den guten alten Zeiten in Europa, ehe die Feigheit der französischen Aristokratie (im Verlauf der schändlichen Revolution, die ihnen recht geschah) unserem Orden Verruf und Ruin eintrug. Heute sagen sie pfui zu Männern, die sich dem Spiel widmen; ich wüsste freilich gern, wie viel ehrenhafter als der unsere ihr Lebenserwerb
ist. Der Börsenmakler mit Spekulationen auf Hausse und Baisse, der kauft und verkauft, mit faulen Anleihen hantiert und mit Staatsgeheimnissen handelt – ist er denn kein Spieler? Ist der Kaufmann, der mit Tee und Talg handelt, etwa besser? Seine schmutzigen Indigoballen sind seine Würfel, seine Karten werden nur einmal im Jahr aufgedeckt statt alle zehn Minuten, und das Meer ist sein grüner Tisch. Ihr nennt das Gewerbe des Advokaten ehrenhaft, bei dem einer doch für jeden lügt, der ihm etwas bietet, die Armut fortlügt für ein Honorar vom Reichtum, das Recht fortlügt, weil das Unrecht sein Mandant ist. Ihr nennt einen Arzt ehrenhaft, einen verlogenen Quacksalber, der selbst nicht an die Elixiere glaubt, die er verschreibt, und der euch eine Guinee dafür abnimmt, dass er euch ins Ohr flüstert, dies sei ein guter Morgen. Und trotzdem wird ein beherzter Mann, der sich an den grünen Tisch setzt, alle Willigen herausfordert, sein Geld gegen ihres, sein Vermögen gegen das ihre, von eurer modernen moralischen Welt wahrlich geächtet. Es ist dies eine Verschwörung der Mittelklasse gegen Gentlemen – allein das Geplärr der Krämer soll heute gelten. Ich sage, das Spiel war eine Einrichtung des Rittertums und wurde wie andere Privilegien
hochgeborener Männer zugrunde gerichtet. Als Seingalt 225 sechsunddreißig Stunden lang, ohne auch nur einmal den Tisch zu verlassen, mit einem anderen rang, meinen Sie, er habe da keinen Mut gezeigt? Drängten sich doch das beste Blut und die schärfsten Augen Europas um den Tisch, wenn mein Onkel und ich die Karten und die Bank gegen einen gefürchteten Spieler hielten, der einige tausend von seinen Millionen gegen unseren gesamten Besitz setzte, wie er dort auf dem grünen Tuch lag! Als wir uns mit jenem kühnen Alexis Koslowski maßen und siebentausend Louis auf einmal gewannen – hätten wir da verloren, wären wir am nächsten Tag Bettler gewesen; als er verlor, hatte er lediglich ein Dorf und ein paar hundert Leibeigene verpfändet. Als in Teplitz 226 der Herzog von Kurland 227 vierzehn Lakaien mit je vier Beuteln voller Gulden aufbot und unsere Bank herausforderte, gegen die versiegelten Beutel zu spielen, was haben wir da verlangt? «Hoheit», sagten wir, «wir haben nur achtzigtausend Gulden in der Bank oder zweihunderttausend auf drei Monate; wenn die Beutel Eurer Hoheit nicht mehr als achtzigtausend enthalten, treten wir gegen Sie an.» Dies taten wir, und nach elfstündigem Spiel, in dem unsere Bank zu einem gewissen
Zeitpunkt nur noch über zweihundertdrei Dukaten verfügte, gewannen wir von ihm siebzehntausend Gulden. Ist das nicht so etwas wie Kühnheit? Verlangt diese Profession denn nicht Geschicklichkeit, Ausdauer und

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