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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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im Nebenzimmer auf der Schwelle schlief, befahl ihm, die im Stall immer bereitgehaltenen Pferde zu holen, warf ein Bündel Briefe in eine Schatulle und wies den Pagen an, ihm zu Pferd mit der Schatulle zu folgen. Dies erzählte der junge Mann (Monsieur de Weissenborn) einer jungen Dame, die damals zu meinem Hofstaat gehörte und heute Madame de Weissenborn und Mutter von einem Dutzend Kinder ist.
    Der Page sagte, er habe nie solch eine Veränderung erlebt, wie sie im Verlauf dieser einzigen Nacht mit seinem erlauchten Herrn vor sich ging. Seine Augen waren blutunterlaufen, sein Gesicht fahl, und man hätte ihn, der zu Paraden immer so sorgfältig gekleidet erschien wie ein Feldwebel seiner Truppen, im Morgengrauen wie einen Wahnsinnigen durch die öden Straßen galoppieren sehen können – in schlotternden Kleidern, ohne Hut, und das ungepuderte Haar flatterte im Wind.
    Der Page mit der Briefschatulle trabte hinter
seinem Herrn her – es war gar nicht einfach, ihm zu folgen; sie ritten vom Schloss zur Stadt und durch die Stadt zum Quartier des Generals. Die Posten vor der Tür erschraken beim Anblick der seltsamen Gestalt, die zum Tor des Generals gerannt kam, und da sie ihn nicht erkannten, kreuzten sie ihre Bajonette und verwehrten ihm den Zutritt. ‹Ihr Narren›, sagte Weissenborn, ‹das ist der Prinz!› Dieser zerrte am Glockenstrang, als wollte er Feueralarm geben; endlich öffnete der Pförtner, und Seine Hoheit lief treppauf zum Schlafzimmer des Generals, gefolgt vom Pagen mit der Schatulle.
    ‹Magny! Magny!›, brüllte der Prinz; er hämmerte an die geschlossene Tür. ‹Stehen Sie auf!› Und als der alte Mann drinnen fragte, antwortete er: ‹Ich bin’s – Viktor, der Prinz! Stehen Sie auf!› Bald öffnete der General in seiner robe de chambre 270 die Tür, und der Prinz ging hinein. Der Page brachte die Schatulle und wurde angewiesen, draußen zu warten, was er auch tat; zwischen Monsieur de Magnys Schlafgemach und dem Vorzimmer gab es jedoch zwei Türen, die große Eingangstür und eine kleinere; Letztere führte, wie dies in unseren Häusern drüben üblich ist, zu dem Gelass, das man über den Alkoven erreicht, in dem das Bett steht. Wie
Monsieur de Weissenborn feststellte, war diese Tür offen, daher konnte der junge Mann alles sehen und hören, was im Gemach vor sich ging.
    Ein wenig nervös fragte der General, was der Grund für einen so frühen Besuch Seiner Hoheit sei, worauf der Prinz eine Weile nicht antwortete, sondern ihn nur wild anstarrte und im Raum auf und ab lief.
    Schließlich sagte er: ‹Hier ist der Grund!› Er hieb mit der Faust auf die Schatulle, und da er vergessen hatte, den Schlüssel mitzubringen, tat er einen Schritt Richtung Tür und murmelte: ‹Vielleicht hat Weissenborn ihn›; aber dann erblickte er über dem Ofen eines der couteaux de chasse 271 des Generals, nahm es und sagte: ‹Das wird reichen.› Er machte sich daran, das rote Kästchen mit der Klinge des Waidmessers zu sprengen. Die Spitze brach ab, er stieß einen Fluch aus, stocherte jedoch weiter mit der abgebrochenen Klinge herum, die für den Zweck besser geeignet war als das lange, spitze Messer, und schließlich gelang es ihm, den Deckel des Kastens aufzuhebeln.
    ‹Was los ist?›, sagte er unter Gelächter. ‹Das ist los – lesen Sie! Hier sind noch mehr Gründe  – lesen Sie das! Hier noch mehr – nein, das nicht; das ist ein Bild von einer anderen – aber
da ist ihres! Kennen Sie das Bild, Magny? Von meiner Frau – der Prinzessin! Wieso sind Sie und Ihre verfluchte Sippe überhaupt aus Frankreich gekommen? Um Ihre teuflische Verruchtheit zu verbreiten, wo immer Ihr Fuß den Boden berührt, und anständige deutsche Heime zu ruinieren? Haben Sie und die Ihren denn von meiner Familie je etwas anderes als Vertrauen und Güte erfahren? Wir haben Ihnen ein Heim gegeben, als Sie keines hatten, und das ist unser Lohn!› Und er warf ein Bündel Papiere auf den Tisch vor dem General, der sofort begriff – der die Wahrheit wahrscheinlich längst schon kannte, auf seinen Stuhl sank und das Gesicht mit den Händen bedeckte.
    Der Prinz gestikulierte weiter und kreischte beinahe. ‹Wenn jemand Sie so beleidigt hätte, Magny, ehe Sie den Vater dieses spielsüchtigen, verlogenen Schurken zeugten, hätten Sie sofort gewusst, wie Sie sich zu rächen haben. Sie hätten ihn getötet! Ja, Sie hätten ihn getötet. Aber wer soll mir zu meiner Rache verhelfen? Ich habe keinen gleichrangigen Gegner.

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