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Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...

Titel: Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manesse-Verlag
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er hatte das Kriegsgewerbe aus Klugheit und
aus dem Wunsch, sein Geld zu genießen, aber keineswegs aus Feigheit aufgegeben.
    Als diese Hackton-Kompanie aufgestellt wurde, wollte mein inzwischen sechzehnjähriger Stiefsohn unbedingt die Erlaubnis erhalten, ihr beizutreten, und ich hätte dem sehr gern zugestimmt, um den jungen Mann loszuwerden; aber sein Vormund, Lord Tiptoff, der mir bei allem einen Strich durch die Rechnung machte, verweigerte seine Zustimmung, und aus den kriegerischen Neigungen des Jungen wurde nichts. Hätte er an der Expedition teilnehmen können und hätte eine Rebellenflinte seinem Leben ein Ende bereitet, so wäre ich, um die Wahrheit zu sagen, nicht übermäßig betrübt gewesen und hätte die Freude gehabt, meinen anderen Sohn als Erben jenes Besitzes zu sehen, den sein Vater mit solcher Mühe errungen hatte.
    Die Erziehung dieses jungen Edelmannes war, das gebe ich zu, recht locker gewesen, und vielleicht habe ich den Bengel wirklich vernachlässigt. Er war vom Wesen her so ungebärdig, wild und aufsässig, dass ich für ihn nie die geringste Zuneigung empfand; zumindest mir und seiner Mutter gegenüber war er so mürrisch und dumpf, dass ich jegliche Belehrung an ihn als vergeudet empfand und ihn meistens
sich selbst überließ. Zwei ganze Jahre blieb er in Irland, fern von uns, und in England ließen wir ihn meist in Hackton, da uns nichts daran lag, den plumpen, ungeschickten Burschen in der vornehmen Gesellschaft der Hauptstadt, in der wir uns natürlich bewegten, bei uns zu haben. Mein eigener armer Junge hingegen war das höflichste und gewinnendste Kind, das man je sah; es war eine Wonne, ihn liebevoll und nobel zu behandeln, und mit nicht einmal fünf Jahren war der Kleine ein Muster an Vornehmheit, Schönheit und Schliff.
    Natürlich hätte er gar nicht anders werden können bei der Sorgfalt, die beide Eltern ihm widmeten, und den Zuwendungen, mit denen er in jeder Hinsicht überschüttet wurde. Als er vier war, stritt ich mich mit der englischen Kinderfrau, die sich um ihn gekümmert hatte und derentwegen meine Frau so eifersüchtig gewesen war, und besorgte für ihn eine französische Gouvernante, die in den vornehmsten Pariser Familien gelebt hatte und auf die Lady Lyndon natürlich sofort ebenfalls eifersüchtig war. In der Obhut dieser jungen Frau lernte mein kleiner Strolch, ganz entzückend auf Französisch zu plaudern. Es tat dem Herzen wohl, den lieben Schlingel «mort de ma vie!» 424
fluchen zu hören, und zu sehen, wie er mit seinem Füßchen aufstampfte und die manants und canaille 425 von Domestiken zu den trente mille diables 426 wünschte. In allem war er frühreif; als er noch ganz klein war, äffte er alle nach, mit fünf saß er bei uns am Tisch und trank sein Glas Champagner wie die Besten von uns, und seine Gouvernante brachte ihm französische Liedchen und die neuesten Pariser Chansons von Vade und Collard 427 bei – wirklich hübsche Lieder, bei denen sich jene seiner Zuhörer, die Französisch verstanden, vor Lachen krümmten und einige der alten, zur Gesellschaft seiner Mama zugelassenen Damen sich entrüsteten. Letztere waren allerdings nicht sehr zahlreich, denn Besuche sogenannter «respektabler» Personen bei Lady Lyndon förderte ich keineswegs. Das sind trübe Spielverderberinnen – Klatschbasen, neidisches, engstirniges Volk, das Zwietracht zwischen Mann und Frau sät. Sobald eine dieser gravitätischen Personen mit Reifrock und hohen Absätzen sich in Hackton oder am Berkeley Square einstellte, machte ich mir ein Vergnügen daraus, sie zu verscheuchen; ich ließ meinen kleinen Bryan dann tanzen, singen und den diable à quatre 428 spielen und half ihm dabei, die alten Schachteln zu erschrecken.

    Nie werde ich die feierlichen Vorhaltungen unseres alten griesgrämigen Pfarrers in Hackton vergessen, der einen oder zwei vergebliche Versuche unternahm, dem kleinen Bryan Latein beizubringen und mit dessen zahllosen Kindern zu spielen ich dem Jungen manchmal erlaubte. Sie lernten von ihm einige von Bryans französischen Liedchen, und ihre Mutter, eine arme Seele, die sich auf Eingemachtes und Pudding besser verstand als aufs Französische, ermunterte die Kinder liebevoll, sie zu singen; als der Vater sie jedoch eines Tages hörte, gab es für Miss Sarah eine Woche Stubenarrest bei Wasser und Brot, und Master Jacob verprügelte er feierlich in Anwesenheit all seiner Brüder und Schwestern und Bryans, der sich, wie er hoffte, die Prügel als Mahnung

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