Die Memoiren des Barry Lyndon - aus dem Königreich Irland, samt einem Bericht über seine ungewöhnlichen Abenteuer, Unglücksfälle, Leiden im Dienste Seiner Majestät des Königs von Preußen, seine Besuche an vielen europäischen Höfen, seine Heirat und ...
hinterher; dabei schwor ich, ich würde mein Versprechen halten. Der Himmel möge mir vergeben! An nichts dergleichen dachte ich mehr, als mir nach drei Meilen eine trübe Prozession entgegenkam – Bauern, die jammerten und heulten, wie unsere Iren es tun, einer führte das schwarze Pferd am Zügel, und auf einer Tür, die einige Männer trugen, lag
mein armer, lieber, lieber kleiner Junge. Er lag da, mit seinen Stiefelchen und Sporen und seinem kleinen rotgoldenen Rock. Das liebe Gesicht war ziemlich blass; er lächelte, als er mir die Hand entgegenstreckte und mühsam sagte: «Du wirst mich doch nicht auspeitschen, oder, Papa?» Zur Antwort konnte ich nur in Tränen ausbrechen. Viele, viele Männer habe ich sterben sehen, und immer ist da ein Ausdruck um die Augen, der keinen Irrtum zulässt. Es gab einmal einen kleinen Tambourjungen, den ich sehr mochte; er wurde bei Kunersdorf 445 im Angesicht meiner Kompanie niedergestreckt, und als ich zu ihm lief, um ihm etwas zu trinken zu geben, hat er genauso dreingeblickt wie nun mein lieber Bryan – dieser schreckliche Ausdruck der Augen lässt keinen Irrtum zu. Wir trugen ihn heim und riefen alle Ärzte der Gegend zusammen, um seine Verletzungen zu untersuchen.
Aber was vermag ein Doktor im Ringen mit dem grimmen, unbesiegbaren Feind? Alle, die kamen, konnten uns mit ihren Äußerungen über den Zustand des armen Kindes in unserer Verzweiflung nur bestärken. Er hatte furchtlos sein Pferd bestiegen, sich tapfer im Sattel gehalten, während das Tier bockte und ausschlug, und als der erste Widerstand überwunden war,
ritt er mit ihm auf eine Hecke am Straßenrand los. Aber einige der Steine waren locker, ein Huf rutschte ab, und das Pferd und der tapfere kleine Reiter überschlugen sich gemeinsam auf der anderen Seite. Die Leute sagten, sie hätten gesehen, wie der edle kleine Junge nach dem Sturz aufsprang und losrannte, um das Pferd einzufangen, das ihm anscheinend, als sie noch auf dem Boden lagen, in den Rücken getreten und sich davongemacht hatte. Der arme Bryan lief ein paar Schritte und brach dann wie angeschossen zusammen. Sein Gesicht wurde fahl, und sie hielten ihn für tot. Sie träufelten ihm Whiskey in den Mund, und das arme Kind kam wieder zu sich; aber er konnte sich nicht bewegen, sein Rückgrat war verletzt, die untere Hälfte seines Körpers war tot, als sie ihn zu Haus aufs Bett legten. Auch das Übrige hielt nicht mehr lange durch, Gott helfe mir! Er blieb noch zwei Tage bei uns, und es war ein trauriger Trost zu wissen, dass er keine Schmerzen hatte.
Das Wesen des kleinen Engels schien sich in dieser Zeit völlig zu ändern. Er bat seine Mutter und mich um Verzeihung für jeglichen Ungehorsam, dessen er sich uns gegenüber schuldig gemacht hatte; häufig sagte er, er würde jetzt gern seinen Bruder Bullingdon sehen. «Bully
war besser als du, Papa», sagte er, «er hat nicht so geflucht, und als du weg warst, hat er mir viel Gutes beigebracht.» Dann ergriff er mit seinen kleinen feuchten Händen eine Hand seiner Mutter und eine von mir und bat uns, nicht so viel zu streiten, sondern einander zu lieben, damit wir im Himmel alle wieder zusammenkämen, wohin streitsüchtige Leute nie gelangten, wie Bully ihm erzählt habe. Von diesen Ermahnungen aus dem Munde des kleinen, leidenden Engels war seine Mutter sehr gerührt, und ich ebenfalls. Ich wünschte, sie hätte es mir möglich gemacht, den Rat zu befolgen, den uns der sterbende Junge gab.
Nach zwei Tagen starb er schließlich. Da lag er, die Hoffnung meiner Familie, der Stolz meines Mannestums, das Band, das mich und Lady Lyndon zusammengehalten hatte. «Ach, Redmond», sagte sie, als sie neben dem Leichnam des lieben Kindes kniete, «lass uns auf die Wahrheit hören, die sein seliger Mund gesprochen hat; bessere deinen Lebenswandel und behandle dein arme, liebevolle, treue Frau so, wie ihr sterbendes Kind es von dir erbeten hat.» Und ich sagte, das würde ich tun; es gibt jedoch Versprechen, die einzuhalten nicht in der Macht eines Mannes liegt, vor allem nicht bei
einer Frau wie ihr. Aber dieses traurige Ereignis brachte uns einander näher, und einige Monate lang waren wir bessere Freunde.
Ich will gar nicht beschreiben, mit welcher Pracht wir ihn begraben haben. Was nützen denn der Federschmuck von Bestattern und der Tand von Herolden? Ich ging los und erschoss den unheilvollen Rappen, der ihn getötet hatte, vor der Tür der Gruft, in die wir meinen Jungen legten. Ich war so
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