Die Messermacher (German Edition)
Honig ist bald leer. Ob ich wohl wieder einen bekommen könnte? Sie wissen ja, ich liebe den Rapshonig Ihres Großvaters sehr“, sagte Frau Weber etwas verlegen.
„Selbstverständlich, Frau Weber. Wenn ich nachher wieder gehe, bringe ich Ihnen einen rüber, in Ordnung?“, fragte Nora ein bisschen ungeduldig, weil sie endlich ins Haus und ihren kriminalistischen Spürsinn ausleben wollte.
„In Ordnung. Das freut mich wirklich sehr, denn morgen früh kommt meine Tochter und bringt frische Sonntagsbrötchen vorbei und darauf schmeckt Ihr guter Honig ja besonders gut. Vielen Dank, Fräulein Angerer … Vergelt`s Gott.“
„Schon gut, Frau Weber. Auch Ihnen noch einen schönen Tag!“, brachte Nora noch mühsam hervor, ihre gute Erziehung nicht vergessend. Doch dann drehte sie sich schnell um, bevor die gute Nachbarin noch weiter brabbeln konnte. Schwungvoll stieß sie das kunstvoll verzierte schmiedeeiserne Tor auf und rannte fast schon auf das Haus zu. Wie eigenartig es sich anfühlte, zu wissen, dass niemand zu Hause war. Es war noch nie vorgekommen, dass sie ganz alleine hier war und noch komischer war es, nicht von Moritz angefallen und begrüßt zu werden! Der Werkstattschlüssel fühlte sich auch ungewohnt an in ihrer Hand, denn den hatte sie bisher auch noch nie gebraucht. Sie hatte vorhin auch einige Zeit suchen müssen, bis sie den Schlüssel gefunden hatte.
„Wo fange ich an?“, fragte sich Nora leise und ging zunächst in die Werkstatt. „Was suche ich eigentlich?“ Langsam ging sie von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und musste lächeln, denn allein anhand des Aussehens eines Arbeitsplatzes hätte sie den dazugehörigen Arbeiter benennen können. Bei ihrem Vater und ihrem Onkel war alles fein säuberlich aufgeräumt, doch bei ihr und ihrem Bruder war es ziemlich chaotisch auf der Werkbank. Bei Marianne war es mal so mal so und heute war auch auf ihrem Platz ein heilloses Durcheinander. Beinahe hätte das neugierige Mädchen den kleinen Zettel übersehen.
Joska Kiss, der ein bisschen eingedöst war, war hochgeschreckt, als er ein Mofa hatte heranknattern hören. Da er nichts sehen konnte, steckte er zunächst nur seinen Kopf aus dem Fenster und konnte zu seinem Glück gerade noch verstehen, wie jemand Fräulein Angerer gegrüßt hatte. Nora war hier? Was wollte sie denn an einem Samstag alleine in der Werkstatt? Er wusste, dass die Angerers am Wochenende eigentlich nie arbeiteten und so beschloss er kurzerhand, die junge Dame zu beobachten. Schnell stieg er aus, wobei er die offene Wasserflasche vergaß, die er sich zwischen die Schenkel geklemmt hatte. Sie rutschte in den Fußraum seines kleinen dunkelgrünen Flitzers und der nasse Inhalt ergoss sich auf seine Schuhe und die Filz-Fußmatte.
„Scheiße!“, grummelte Joska, schnappte sich die Flasche, doch die Pfütze ignorierte er. Er hatte jetzt keine Zeit, er musste diese Nora observieren. Also Auto zumachen, wobei er merkte, dass das Fenster noch offen war. In diesem Moment verfluchte er die elektrischen Fensterheber, denn nun musste er den Schlüssel nochmal in den Anlasser stecken und herumdrehen, damit er das Fenster schließen konnte. Schon wieder brach ihm der Schweiß aus, nicht nur, weil es inzwischen sehr warm und fast windstill war. Vielleicht hatte er nun schon etwas ganz Wichtiges verpasst und das hatte er nur seiner Schusseligkeit zu verdanken. Hektisch schlug er dann aber endlich die Wagentüre zu und hastete in Richtung Angererschem Anwesen. Dabei vergaß er, mit der Fernbedienung seinen Wagen zu verschließen, was aber in Ottenbach nicht weiter schlimm war, denn hier war (fast) immer „Heile Welt“ und viele ließen sogar noch den Schlüssel im Wagen stecken.
Doch kurz vor der Villa verlangsamte Joska seine Schritte und schlenderte betont lässig daran vorbei, denn die Nachbarin war immer noch beim Kehren. Er grüßte kurz freundlich und bog dann um die Ecke. Da Angerers Grundstück am Ende der Straße lag, konnte man auf einer Seite entlanglaufen und er hoffte auf einen unverschlossenen Hintereingang. Er fand auch tatsächlich ein nur angelehntes Gartentürchen und so schlich der junge Kommissar, nachdem er sich gründlich umgesehen und festgestellt hatte, dass ihn niemand beobachtete, ungesehen ins Grundstück. Er umrundete einen kleinen Teich mit wunderschönen Seerosen darin und erreichte dann die Rückseite der Villa, wo die Fenster zur Werkstatt sein mussten. Vorsichtig stellte er sich auf eine,
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