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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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vergessen», sagte
sie nach einer Weile. «Es ist auch nicht wichtig.»
    «Wohin gehen Sie denn?»
    «Nirgendwohin und überallhin,
mein Kind.»
    «Warum setzen Sie sich nicht
und essen etwas?» schlug Pidge vor, und er zeigte ihr den angenehmen Platz bei
dem Felsen und deutete auf den Korb.
    Die Frau kam vom Weg herüber
und setzte sich. Die Kinder hielten sich etwas abseits, um nicht unter ihren
Regen zu kommen, und die Enten und Gänse begannen Gras und was sie sonst noch
fanden zu knabbern.
    »Was habt ihr in dem Topf?»
fragte die Frau mit einem winzigen Hoffnungsfünkchen in der Stimme.
    «Suppe», antwortete Pidge, und
er tauchte den Becher in den Topf und füllte ihn. Er wischte die
heruntergelaufene Suppe mit einem Sauerampferblatt ab und reichte den Becher
der Frau. Brigit gab ihr ein paar Stücke Brot auf einem Teller, den die Frau in
ihren Schoß stellte. Dann breitete Brigit das Tischtuch auf dem Boden aus und
verteilte darauf alles, was in dem Korb war. Dabei gab sie acht, daß nichts vom
Regen naß wurde.
    «Suppe», wiederholte die Frau
leise. Ihre Stimme streichelte die Worte, und ihre Augen blickten zärtlich auf
den Inhalt des Napfes.
    Brigit brach etwas von dem
übrigen Brot in Stücke und warf es den Enten und Gänsen hin. Als diese ihre
gute Absicht bemerkten, eilten sie alle mit heftigem Flügelschlagen herbei.
    «Da ist Gerste drin», sagte die
Frau nach einer Weile.
    Und dann sagte sie:
    «Da ist Fleisch drin.»
    Ihre Wangen waren jetzt leicht
gerötet; das Essen wärmte sie.
    «Da ist Gutes drin», sagte sie
und hielt den Napf schräg, damit auch der letzte Tropfen herauslief.
    Pidge nahm ihr den Napf ab und
füllte ihn wieder. Als er ihn ihr reichte, bemerkte er, daß ihre Kleider gar
nicht naß aussahen, obwohl immer noch Regen auf sie fiel, und das überraschte
ihn ein wenig, obwohl sie in Tír-na-nÓg waren.
    «Es gibt auch noch etwas
anderes zu essen», ließ er die Frau wissen.
    «Und Sie müssen alles
aufessen», sagte Brigit — teilweise aus Freundlichkeit und teilweise, weil sie
selber nichts davon wollte.
    «Das wird nicht schwer sein»,
antwortete die Frau. Tief aus ihrem Hals kam ein leises Geräusch, das wie ein
schwacher Versuch zu kichern klang.
    Der Regen ließ ein wenig nach.
    «Was ist denn hier drin?»
fragte sie und nahm den Deckel von einer anderen Schüssel. Es war Lachs,
schuppig und feuchtglänzend.
    «Probieren Sie ein bißchen
davon drauf», schlug Brigit vor. «Es ist Mayonnaise.»
    «Ist die gut?» fragte die Frau.
    «Ganz wunderbar», versicherte
Brigit ihr.
    Die Enten und Gänse hörten zu
und sahen sehnsüchtig auf das Essen. Brigit gab ihnen etwas von dem Kuchen und
ein paar Kekse.
    «Und was ist da drin?» fragte
die Frau nach einer Weile, und sie lugte dabei in die letzte Schüssel. Sie war
gefüllt mit Schlagsahne, in die Blaubeeren gerührt waren. Pidge reichte ihr
einen sauberen Löffel.
    «Warum regnet es die ganze Zeit
auf Sie runter?» konnte Brigit sich nicht verkneifen zu fragen, jetzt, wo die
Frau schon ziemlich gestärkt aussah.
    «Ich habe keine Ahnung,
Kleine», antwortete die Frau.
    Brigit glaubte, nun die Frage
stellen zu können, die sie am meisten beschäftigte, seit sie die Frau zum
erstenmal gesehen hatte.
    «Was war denn vorhin mit Ihnen
los?»
    Die Frau sah wieder verwundert
drein.
    «Ich hab’ ein bißchen
durchgedreht», sagte sie, nachdem sie einen Moment nachgedacht hatte. «Es kam
einfach über mich.»
    «Ich weiß, wie das ist», sagte
Brigit mit einem schuldbewußten Blick in Pidges Richtung. «Mir geht’s auch
manchmal so.»
    Darüber mußte die Frau lächeln,
und auf das Lächeln folgte ein richtiges Kichern.
    Der Regen, der auf sie fiel,
war jetzt noch schwächer.
    «Aber immerhin haben Sie
hübsche Enten und Gänse», sagte Brigit tröstend.
    «Ach, die gehören mir überhaupt
nicht», sagte die Frau. «Sie waren eine richtige Heimsuchung, diese Viecher,
als sie das erste Mal hinter mir auf dem Weg aufgetaucht sind. Ich dachte,
irgend jemand würd’ sicher nach ihnen suchen. Aber das ist schon lange her, und
jetzt laufen sie mir immer noch nach, obwohl ich sie fast nie anschau’. Ich
vergess’ sie ganz und gar, ja wirklich.»
    «Ja», sagte eine kleine, dicke
braune Ente. «Wir verfolgen sie. ‹Verfolgt mich doch nicht›, hat sie mal
gesagt, aber wir haben gar nicht auf sie gehört, weil wir den Regen mögen,
nicht?»
    «O ja», sagten die anderen
Enten begeistert, «wir mögen ihn, wir mögen ihn!»
    «Und die auch»,

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