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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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kennen zu lernen.
    In vielen gemeinsamen Gesprächen diskutierten wir über die Zergliederungskunst, in welcher der Cirurgicus, der, wie ich weiß, Euer Adlatus war, ein profundes Wissen an den Tag legte. Das Lob für den Schüler möge den Meister treffen!
    Wichtiger noch aber waren die grundlegenden Erkenntnisse, die wir über die Entstehung und Bekämpfung der Pestilenzia gewinnen konnten. Da diese Erkenntnisse zum großen Teil auf den Scharfsinn Eures ehemaligen Zöglings zurückzuführen sind, darf ich, ohne unbescheiden zu sein, an dieser Stelle behaupten: Die Geißel Pest kann nun besiegt werden. Ein Meilenstein in ihrer Bekämpfung wurde gesetzt! Der Verursacher allen Übels ist ein heimtückisches Insekt: der Floh, dem Euer Schüler den wissenschaftlichen Namen Pulex pestis gegeben hat.
    Alle weitergehenden Schritte und Schlussfolgerungen wurden im Übrigen von ihm in einem Buch mit dem Titel De Causis Pestis niedergelegt, welches hier drucken zu lassen ich die Ehre habe.
    An letzterer Formulierung, hochverehrter Herr Kollege, mögt Ihr schon erkannt haben, dass Vitus von Campodios nicht mehr in Padua weilt. Er machte sich Ende Oktober 79 mit seinen Gefährten auf, um nach England zurückzukehren, da, wie er sagte, seine Mission erfüllt sei.
    Natürlich nahm ich an, von ihm lange Monate nichts mehr zu hören, da es sich auch in Italien zur Winterzeit beschwerlich reist. Umso überraschter war ich, als ich bereits Mitte November wieder Nachricht von ihm erhielt – in Form einer Kurzbotschaft, die mich per Brieftaube erreichte. Vitus von Campodios befand sich zu dieser Zeit kurz vor der Stadt Piacenza und war von der Pestis umzingelt. Um sich und die Seinen zu retten, ließ er einen Feuerring anlegen. Wie wirksam diese Maßnahme war, mögt Ihr daran erkennen, dass alle im Ring überlebten.
    Doch will ich mich nicht in Einzelheiten verlieren, sondern auf den eigentlichen Grund dieses Briefes kommen: Mitte Dezember 79 wurde eine Segeltuchtasche an der Paduaner Universität abgegeben, darin zwei Botschaften an Vitus von Campodios. Was sollte ich tun? Nach kurzer Überlegung stand für mich fest: Ich musste sie öffnen, denn es konnte sich Wichtiges darin verbergen. Wie richtig ich gehandelt hatte, wusste ich, nachdem ich die Inhalte kannte. Mehr noch: Mir war klar, dass ich alles daransetzen musste, den Cirurgicus darüber zu informieren. Ich tat es und bekam gottlob rasche Antwort – abermals durch die Brieftaube. Euer ehemaliger Schüler schrieb mir, dass er sich umgehend nach Campodios aufmachen wolle, und bat mich, Euch darüber in Kenntnis zu setzen für den Fall, dass er langsamer ist als die Kurierpost …
    »Thomas! Bruder! Wo steckst du bloß?« Der dicke Cullus stand in der Tür und legte sein Vollmondgesicht in vorwurfsvolle Falten. »Die Komplet beginnt gleich! Komm, ich habe keine Lust, mir wieder einen Rüffel von Abt Gaudeck einzufangen. Nun, komm schon!«
    Pater Thomas konnte sich nur schwer von seinem Lesestoff lösen. Er blickte auf und sagte: »Cullus, mein Mitbruder und Freund, gehe du nur zur Komplet und entschuldige mich dort. Ich habe hier Briefschaften von höchster Wichtigkeit, die ich erst zu Ende studieren möchte. Richte Abt Gaudeck aus, ich würde ihn später noch einmal persönlich aufsuchen.«
    »Briefschaften? Was denn für Briefschaften?« Cullus, der es eben noch so eilig gehabt hatte, schob seinen mächtigen Leib näher. »Was steht denn drin?«
    Am liebsten hätte Thomas nicht geantwortet, aber es gab keinen hinreichenden Grund dafür, und deshalb sagte er: »Vitus ist auf dem Weg nach Campodios. Endlich kommt er nach Hause. Nach so vielen Jahren.«
    »Was? Wie? Vitus? Und das sagst du mir erst jetzt?« Cullus, der sangesfreudige, der trinkfeste, der den Genüssen der Tafel so ergebene Bruder, stand da, als hätte jemand einen Kübel saurer Gurken über ihm ausgekippt. Dann besann er sich. »Hurra! Das muss ich sofort den anderen Brüdern erzählen!« So schnell ihn seine Beine trugen, verließ er die Zelle.
    Thomas sah ihm nach und schüttelte lächelnd sein Haupt. Der unverbesserliche Cullus! Er widmete sich wieder dem Brief und suchte die Stelle, an der er unterbrochen worden war:
    … Euer ehemaliger Schüler schrieb mir, dass er sich umgehend nach Campodios aufmachen wolle, und bat mich, Euch darüber in Kenntnis zu setzen für den Fall, dass er langsamer ist als die Kurierpost.
    Um Euch meine Nachricht zukommen zu lassen, hochverehrter Herr Kollege, habe ich mir

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