Die Mondrose
unbewegt vor dem Schreibtisch stand. »Allerdings erschließt sich mir nicht, wozu es nutzen soll.«
»Dir erschließt sich nicht, wozu ein Gespräch mit deinem Vater nutzen soll?« Hector sprang auf. Zorn auf sich selbst packte ihn, weil er schrie und sich hinreißen ließ, während sein Sohn sich ein Stäubchen vom Revers wischte, als hätte er keine Sorge auf der Welt. »Dann werde ich es dir sagen, mein Bester. Mir ist zugetragen worden, dass du dich mit übelstem Gesindel herumtreibst. Im Stadtgefängnis bist du gesehen worden, und zwar nicht von irgendwem, sondern von einem meiner wichtigsten Kunden!«
»Ach.« Horatio verzog die Lippen. »Treibt sich dein wichtigster Kunde etwa auch mit übelstem Gesindel im Stadtgefängnis herum?«
»Halt deinen Mund!« Hinter dem Schreibtisch hervor schoss Hector auf ihn zu. Er hatte es nie getan, sich nie von ihm in Wut bringen lassen, sondern dafür gesorgt, dass er in Kühle und Besonnenheit abgestraft wurde, dass er Zeit hatte, die Strafe zu fürchten und seine Untat zu bereuen. Der Mann, der vor ihm stand, fürchtete und bereute nichts. Er hob nur die Hand, so dass sein Vater die Wahl hatte, stehen zu bleiben oder gestoßen zu werden und womöglich hintenüberzufallen. Er blieb stehen. Die erhobenen Arme sackten an seinen Seiten hinab. »Es heißt, du hast eine Kaution bezahlt, um ein kriminelles Subjekt auszulösen«, brachte er heraus. »Eine Straßendirne.«
»Falls du mich mit deinem Schimpfwort reizen möchtest, spar dir die Mühe«, sagte Horatio. »Du weißt doch immer über alles Bescheid, deine wichtigen Kunden flitzen doch quer durch die Stadt und hören das Gras für dich wachsen. Also weißt du so gut wie ich, dass Lydia Burleigh keine Dirne ist. Was man von der Dame, die dich geboren hat, nicht mit derselben Gewissheit sagen könnte, oder doch?«
Hector krümmte sich wie unter Schmerzen. Polly Pierson war tot, sie musste ja tot sein, denn sie suchte ihn schon seit Jahren nicht mehr heim, aber noch immer ließ sie ihn nicht aus ihren Klauen. Er starrte in die bald schwarzen Augen des Mannes, den er seinen Sohn nennen musste, und erkannte die erschreckende Wahrheit. Das Blut der Hure war es, was diese Missgeburt so verderbt machte, und alle Versuche, ihm das Schlechte auszuprügeln, waren vergebens gewesen. »Das Weib, mit dem du dich gemeinmachst, ist keine Hure?«, höhnte er in einem ebenso vergeblichen Versuch, den Sohn zu treffen. »Sie ist Arm in Arm mit den dreckigsten Hafenschlampen durch die Straße gezogen, als man sie verhaftet hat!«
»Und sie würde es wieder tun«, entgegnete Horatio. »Was geht es dich an? Willst du ihrer Vereinigung eine Spende zukommen lassen?«
Nichts wünschte Hector sich mehr, als dieses kühle, glatt rasierte Gesicht zu ohrfeigen. Was dachte sich ein höhnischer Gott dabei, einen Mann wie ihn einen Kopf kleiner zu schaffen als die eigene Leibesfrucht? »Mich geht an, dass mein Sohn in diese Schweinerei verwickelt ist«, schrie er. »Dass du meinen Namen durch den Dreck ziehst, ohne dir zu überlegen, was das für mein Geschäft, für deine Mutter und für deine Schwester bedeutet.«
Horatio lachte auf. »Nora lass besser aus dem Spiel«, sagte er. »Glaubst du im Ernst, irgendwer nähme dir ab, dass du dich um Nora scherst?«
»Du hast kein Recht, so mit deinem Vater zu sprechen!«
»Kein Recht und auch kein Interesse«, erwiderte Horatio. »Kann ich jetzt gehen?«
»Ha!«, rief Hector aus, während sein Sohn schon zur Tür herumschwang. »Du bleibst brav hier, Bürschlein, und du wirst den Kontakt mit kriminellen Elementen künftig unterlassen. Ich sage dir jetzt nämlich, was ich andernfalls mit dir mache.«
Horatio drehte sich nicht zu ihm zurück, sondern blickte lediglich über seine Schulter. »Sprichst du mit mir?«
»Allerdings. Mit wem wohl sonst?«
»Was weiß ich.« Horatio zuckte mit den Schultern. »Mit deinem wichtigsten Kunden vielleicht.«
Außer sich sprang Hector noch einmal auf ihn zu und holte aus. Ehe er zuschlagen konnte, umfasste Horatio sein Gelenk so hart, dass er vor Schmerz stöhnte. Horatio rührte sich nicht von der Stelle und verzog keine Miene. »Das lass besser bleiben«, sagte er, gab Hector frei und wischte sich die Hand an der Hose ab.
»Ich enterbe dich!«, schrie Hector. »Die Papiere sind fertig. Sobald ich meine Unterschrift daruntersetze, hat es für dich ein Ende mit dem Wohlleben, dem feinen Zwirn und dem Hurenvolk.«
Eine Zeitlang schwieg Horatio. Hector glaubte
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