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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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Wein und Aperitif. Mildred las die Zahlenkolonnen wieder und wieder, bis sie begriff, dass die Soupers, die hier aufgelistet waren, nicht sie, sondern ihr künftiger Schwiegersohn genossen hatte.
    Fühlte sich Granville bereits so sehr als Mitglied der Familie, dass er sich Rechnungen nach Mount Othrys schicken ließ? Vielleicht waren ihm die Ausgaben vor den schlechter gestellten Kameraden peinlich – immerhin wurde es höchste Zeit, dass er sein Patent erwarb und ein Quartier für Offiziere bezog. Aber nein, es musste sich um ein Versehen handeln – auf dem Briefkopf stand Mildreds Name, und die Rechnung enthielt den Vermerk »mit höchster Dringlichkeit«. Offenbar war also bereits eine erste Rechnung nicht bezahlt worden, weil Granville sie nicht erhalten hatte. Nun, Mildred würde dafür sorgen, dass er diese erhielt. Sie legte sie zur Seite und lauschte noch einmal in die Stille.
    Vorn im Hotel saßen die Gäste inzwischen beim Abendessen, vergnügten sich beim Billard oder hatten sich in ihre Zimmer zurückgezogen. Wenn jemand über den Gartenweg kam, würden Mildreds scharfe Ohren es hören, doch kein Schritt wurde laut. Es sah Granville gar nicht ähnlich, sich zu verspäten. Die arme Phoebe! Gewiss hielt sie es vor Ungeduld kaum noch im Zimmer aus, doch so war es nun einmal in den Kreisen, in die Mildred so mühsam hineingefunden hatte – ein zu verlobendes Mädchen hatte auszuharren, bis der Vater und der Bräutigam sich einig waren.
    Endlich ertönten Schritte auf dem Gang – aber es waren nicht die schweren Tritte von Soldatenstiefeln, sondern die leichten von Mädchenschuhen. Esther, die wie immer zu spät nach Hause kam. Sie hatte ihre Abreise noch einmal verschoben, angeblich, weil Nora eine Krise hatte, aber Ende des Monats, ehe der Herbst begann, wollte sie endgültig fort. Mildred war erleichtert darüber, so sehr sie sich ihrer Gefühle schämte. Esther war und blieb eine lebende Anklage – erst wenn sie fort war, würde die Vergangenheit endgültig begraben sein.
    Sie hörte sie an die Tür ihres Vaters klopfen. Herrgott, hatte sie ihr nicht gesagt, dass sie hier heute niemanden stören durfte? Unwirsch stieß sie die Briefe beiseite und eilte hinaus in den Gang. Hyperion hatte die Tür geöffnet und sprach mit Esther. Jetzt, da sie die Köpfe zusammensteckten, sprang wieder einmal ins Auge, wie ähnlich sie sich sahen. Keine der anderen hatte von dieser zerbrechlichen Schönheit auch nur eine Spur geerbt. »Was soll der Lärm?«, fuhr sie sie schärfer als beabsichtigt an.
    Die beiden wandten sich nach ihr um. »Phoebe geht es nicht gut«, sagte Esther.
    »Nur eine Magenverstimmung«, murmelte Hyperion.
    Sein weibliches Ebenbild aber fuhr ihm ins Wort: »Das glaube ich nicht.«
    »Wo ist Granville?«, unterbrach Mildred den albernen Disput. »Ich meine natürlich Sergeant Redknapp?«
    »Nicht da«, erwiderte Hyperion dümmlich.
    »Was soll das heißen, nicht da?«
    »Er ist nicht gekommen«, mischte Esther sich ein. »Und Vater sollte besser nach Phoebe sehen, der es wirklich elend ergeht.«
    Was war mit Phoebe? Was sollte das alles? »Dein Vater bleibt hier«, kommandierte Mildred. »Nach Phoebe sehe ich selbst.«
    In Windeseile war sie im Zimmer der Mädchen. Chastity lag, wie nicht anders zu erwarten, auf dem Bett und wimmerte. Mildred beachtete sie nicht, sondern stürmte ins angrenzende Bad, in dem Phoebe, gestützt von Georgia, vor der Wanne kniete und sich jämmerlich erbrach. Ihr Kleid aus altrosa Seide, das eigens für den Anlass gefertigt worden war, hatte sie bereits verdorben. Sie würde sich, ehe Granville kam, umziehen müssen.
    »Was treibst du denn?«, rief Mildred, bevor Hilflosigkeit sie übermannte. »Weißt du nicht, wie spät es ist?«
    »Sie kotzt, egal, wie spät es ist«, erwiderte Georgia, und ehe Mildred ihr dafür eine gebührliche Entgegnung verpassen konnte, brach die kotzende Phoebe zu allem Unglück in Tränen aus.
    »Zum Teufel, gib Ruhe!«, brüllte Mildred und presste sich die Hände auf die Ohren. Es dauerte dennoch eine Weile, bis Phoebe sich so weit beruhigt hatte, dass sie den Kopf heben und ihrer Mutter ihr verschmiertes, verschwollenes Gesicht zuwenden konnte. Sie musste sich schleunigst herrichten – wenn sie dem Bräutigam so vor die Augen kam, würde er auf dem Absatz kehrtmachen.
    »Ist Granville da?«, stammelte Phoebe mit dem zerdrückten Stimmchen, das Mildred hasste.
    »Er hat sich wohl etwas verspätet«, sagte sie. »Was dein Glück ist,

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