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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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rückwärts und fiel dem Vater in den Arm. »Selene«, stammelte sie. »Meine Selene …«
    Die Großmutter warf den Kopf in den Nacken, dass das Haarnetz sich löste und die graue Mähne ihr auf die Schultern fiel. »Das ist Teufelszeug«, sagte sie so tonlos, wie sie zuvor mit Harry gesprochen hatte. »Teufelszeug, das ein krankes Gehirn sich ausgedacht hat. Du musst das vergessen, Selene, hörst du? Schwöre mir, dass du diesen teuflischen Irrsinn vergisst.« Dann schwang sie herum und brüllte den Klavierspieler an, der noch immer »Love unspoken« klimperte: »Geben Sie endlich Ruhe, Sie Kretin!« Und gleich darauf drehte sie sich zu dem Sessel um, in dem der Großvater hing, und stieß einen Klagelaut aus. »Warum fällt uns alles immer wieder auf den Kopf, Hyperion? Warum habe ich nie einen Mann gehabt, der es für mich aus der Welt schafft, warum war ich mein Leben lang mit diesem Wahn, der kein Ende nimmt, allein?«
    Selene, die fassungslos auf die Mitglieder ihrer Familie starrte, spürte eine zarte Berührung an der Schulter. »Gib ihnen eine halbe Stunde Zeit«, meinte der Onkel. »Sie werden dir heute noch sagen müssen, was sie vor dir verheimlicht haben, aber bitte lass sie sich einigen, wer es tut und wie.«
    Sie drehte sich zu ihm um. Er schien der einzige Mensch, der nicht den Verstand verloren hatte. »Sag du es mir«, beschwor sie ihn.
    »Glaub mir, ich täte es auf der Stelle«, erwiderte er, »aber ich weiß es so wenig wie du.« Er schluckte zweimal, dass der Kehlkopf mahlte, dann fügte er mit schwerer Stimme hinzu: »Es tut mir leid, Selene. Ich hatte kurz vor deiner Geburt mein eigenes Leben in Stücke geschlagen. Für das, was um mich vor sich ging, war ich leider vollkommen blind.«
    Willenlos ließ sie sich von ihm aus dem Saal und in eins der Rauchzimmer führen. Er half ihr, sich in einen Sessel zu setzen, und schenkte ihr einen unverdünnten Brandy ein. Nie zuvor hatte jemand sie so etwas trinken lassen. »Eines weiß ich doch«, sagte er. »Deine Eltern haben sich, bevor sie dich bekamen, mit aller Macht ein Kind gewünscht. Ich habe deine Mutter nie so glücklich gesehen wie mit dir in den Armen.«
    »Ich will das nicht hören.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Möchtest du allein sein?«
    Sie schüttelte den Kopf, und er blieb und schwieg mit ihr, bis Tante Georgia kam. »Ich habe vorgeschlagen zu würfeln«, sagte sie. »Aber die anderen hatten bereits beschlossen, dass der mit dem niedrigsten Wurf die gute alte Georgia ist. Sei ein Schatz, Horatio, und gib mir einen von diesen stocksteifen Drinks. Meine Mutter besteht darauf, dass ich dich aus dem Zimmer werfe, bevor ich anfange, damit dir die Schande der heiligen Familie verborgen bleibt. Ich dagegen wünschte, du würdest bleiben und uns beiden das Händchen halten.«
    »Dazu eigne ich mich schlecht«, sagte Horatio und stellte ihr den Brandy hin. »Aber die Schande der heiligen Familie schreckt mich in etwa so sehr wie eine Kinderrassel.«
    »Bleib hier«, bat ihn Georgia. Er sah Selene an, die nickte, und stellte sich hinter ihren Stuhl.
    Georgia stürzte mit dem Todesmut eines Leichtmatrosen den Brandy hinunter. Dann begann sie zu sprechen. »Wer immer dir diesen Dreck geschickt hat und warum er es getan hat, weiß ich nicht«, sagte sie. »Fest steht, dass es nicht die Frau war, die dich geboren hat. Deine Mutter ist kein böser Mensch, Selene, sie würde dir niemals schaden wollen, und sie wäre dort, wo sie ist, auch kaum in der Lage dazu.«
    »Georgia!«, fiel ihr Horatio scharf ins Wort. »Selenes Mutter ist Esther – warum erzählt sie ihrer Tochter diese Dinge nicht selbst, warum ist sie nicht bei ihr und versichert ihr, dass sie sie über alles liebt?«
    Hilflos zuckte Georgia mit den Schultern. »Sie sagt, sie kann nicht. Sie hält es nicht aus.«
    »Zum Teufel, was hat denn das verdammte Leben aus ihrem Kampfgeist gemacht?«
    Selene hatte den Onkel noch nie fluchen hören. Sie fuhr herum und erschrak vor dem Brand in seinen Augen. Um sich zu beherrschen, schloss er die Hände um die Sessellehne. »Verzeihung«, sagte er. »Bitte sprich weiter, Georgia.«
    »Falls es dir leidtäte, dieses Prachtstück von einem Onkel zu verlieren und deine Lieblingstante noch dazu, sei unbesorgt«, sagte sie und versuchte sich an einem Georgia-Grinsen, das verrutschte. »Ich bin deine Tante, Horatio ist der Cousin deiner Mutter, und Ihre Hoheit Mildred Weaver ist mehr deine Großmutter, als sie es jemals war. Deine Mutter ist unsere

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