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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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ausstellen ließ. Er hat mich gebeten, Sie von ihm zu grüßen.«
    Im Zwielicht funkelten ihre Augen. »Den kenne ich nicht«, wiederholte sie und stand auf. »Mit solchen Kerlen hab ich nichts zu schaffen, und wenn der noch einmal zu Ihnen von mir spricht, dann wünsche ich, dass Sie ihn in die Schranken weisen.«

    »Was hast du denn erwartet? Dass ich dir wie als grünem Bürschlein ein paar an die Ohren verpasse? Wahrhaftig, manchmal hätte ich nicht übel Lust dazu, aber was damals nicht half, nützt auch heute nichts mehr, also spare ich mir die Mühe.«
    Wahrscheinlich hätte Hyperion sich an diesem Abend abermals vor dem Gespräch mit seiner Großmutter gedrückt, aber die alte Dame hatte ihn an der Treppe abgefangen. »Meinst du nicht, es wird Zeit?«, hatte sie gefragt und war ihm voraus in ihr Altenteil stolziert. Dass eine zierliche Frau von gut achtzig Jahren noch immer wie ein Feldwebel stapfte, würde nicht aufhören ihn zu verblüffen. Als Kind hatte er sie gefürchtet. Ihre Ohrfeigen, die sie ihm mit dem Handrücken verpasste, als wäre ein Subjekt wie er die Fläche ihrer Hand nicht wert. Seinem klopfenden Herzen nach fürchtete er sie heute kaum weniger.
    Daran, dass er kein mutiger Mann war, hatte er sich gewöhnt. Aber für Daphne wollte er es sein, seine Daphne verdiente keinen Zauderer. »Ich werde mich verloben«, stieß er atemlos aus, kaum dass sie in Nell Weavers Salon standen.
    Statt sich zu setzen, trat seine Großmutter zum Kamin und wies auf die Karte auf dem Sims. »Darüber bin ich im Bilde. Nur nahm ich an, es schicke sich, seine engste Verwandte persönlich von solcher Neuerung zu unterrichten.«
    Was hatte er erwartet? Ohrfeigen, Tadel, am Ende ein Verbot? Du bist ein Mann, beschwor er sich. Du wirst Daphne Adams heiraten, und kein Mensch auf der Welt kann es dir verbieten. Eine Antwort aber gab er ihr nicht.
    »Es mag dich überraschen«, fuhr seine Großmutter, die sich endlich in einen Sessel gesetzt hatte, fort. »Du hast vermutlich geglaubt, ich würde vor Wut über deine Mesalliance toben, aber was ich vornehmlich empfinde, ist Erleichterung. Wir sind von dir ja Kummer gewohnt, und um ehrlich zu sein, war ich lediglich froh, nicht das größere von zwei Übeln ertragen zu müssen. Mich plagte nämlich seit Wochen die Furcht, du könntest auf den Gedanken kommen, diese Mildred zum Altar zu führen.«
    Hyperion fuhr zusammen. Was würde Daphne dazu sagen, dass er ihre Schwester ohne Widerspruch beleidigen ließ? »Miss Mildred ist ein liebenswerter Mensch«, rang er sich ab und fand, er hätte sich dümmer nicht ausdrücken können.
    »In der Tat«, erwiderte seine Großmutter ungerührt. »Liebenswert wie eine Londoner Kanalratte. Dass du solche Kreaturen hätschelst, ist ja nichts Neues. Dass die aber nicht nur die Hand, die sie füttert, beißen, sondern hemmungslos über Leichen gehen, solltest du zumindest im Gedächtnis behalten.«
    »Großmutter …«
    Sie hob die Hand. »Lass es dabei. Ich möchte über diese Natter an unserem Busen nur sprechen, wenn es unumgänglich wird.« Kurz darauf erschien Priscilla, um nach Nells Wünschen zu fragen. Sie sah müde aus. Das Haus brauchte mehr Personal. Im Stillen beschloss Hyperion, Daphnes Einzug noch einmal zu verschieben, bis er diese Dinge geregelt hatte. Sie würde traurig sein, aber sie würde ihm kein hartes Wort geben. Es sollte, so schwor er sich, das letzte Mal sein, dass er sie enttäuschte.
    Seine Großmutter bat um einen Sherry und ließ für Hyperion einen großen Brandy einschenken. »Ich denke, du hast ihn nötig.«
    »Du wirst Daphne mögen«, sagte er. »Sie ist Mutter ähnlich.«
    Nell sog Luft ein. »Deine Mutter war eine Dame. Und zwar eine, wie ich sie kein zweites Mal zu Gesicht bekommen habe.«
    »Daphne ist auch eine Dame. Dass jemand anderes behauptet, erlaube ich nicht.«
    Ihr Blick schien ihn zu packen. Mit ihren achtzig Jahren sah sie noch immer scharf wie ein Adler und benötigte keine Augengläser. »Hört, hört«, bemerkte sie.
    »Ich weiß, was du denkst«, begann er.
    »Weißt du das wirklich?« Ihr Unterton war nicht zu deuten. »Wenn du mich fragst, ist es einem Mann unmöglich zu wissen, was eine Frau denkt. Ja, auch dir, und wenn du hundertmal das Teufelszeug von diesem Darwin liest, der schreibt, dass wir alle Affen sind und auf Bäumen hausen sollten. Um zu wissen, was Frauen denken, müssten Männer ihnen ein Denken erst einmal zugestehen, und das brächte ihre Welt ins Wanken. Lassen wir

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