Die Moralisten
mal mit uns anzufangen, weil man dich nicht fassen kann.«
Auch das wußte ich. Immerhin zahlte ich einem Burschen direkt im Büro des Gouverneurs zweihundert Dollar die Woche, damit er mich auf dem laufenden hielt. Ich hatte sogar eine Abschrift dieser Unterredung in meinem Schreibtisch. Ich konnte immer noch nichts dazu sagen. Darum hielt ich meinen Mund und rauchte meine Zigarette.
Silk beobachtete mich. Als er sah, daß ich nicht sprechen
wollte, fuhr er fort. »Wir müssen etwas unternehmen. Die Boys werden unruhig.«
»Welche Boys?« fragte ich.
»Madigan, Moscowits, Kelly, Carvell, die ganze Bande.«
»Du auch?«
Er setzte sich wieder hin und nickte. »Ich auch.«
Ich lachte. Ich hatte mal geglaubt, diese Jungen seien zäh und nichts könne sie aus der Fassung bringen. Jetzt wußte ich es besser. Sobald etwas schiefging, rannten sie zu Papa.
»Und was erwartest du von mir?« fragte ich schroff. »Soll ich dir tröstend Händchen halten?«
Silk wurde rot. »Kannst du nicht an Cowan herankommen?«
»Ich habe dir schon gesagt, daß ich es versucht habe, aber da ist nichts zu machen.« Ich log. Ich hatte überhaupt keinen Versuch gemacht. Außerdem glaubte ich nicht, daß er anbeißen würde.
»Und wenn man über den Burschen selber irgend etwas herausbringt?« fragte Silk. »Da gibt es doch sicher irgendeinen dunklen Punkt, der nicht an die Öffentlichkeit kommen soll?«
Ich mußte wieder lachen. »Dieser Bursche hat ein so anständiges Leben geführt, daß es einen geradezu anwidert. Da ist nichts zu machen.«
»Und seine Familie?«
»Du kennst ja seinen alten Herrn selber«, bemerkte ich. »Glaubst du, daß du dem wirklich etwas anhängen kannst? New Yorks großer alter Mann!« Wenn sie sich je an den alten Herrn heranmachten, würden sie sich selbst mit in den Abgrund reißen, und das wußten sie auch.
»Wie steht's mit seiner Frau?« fragte Silk.
»Nichts zu wollen. Das habe ich auch überprüft. Sie kennen sich seit einer Ewigkeit - schon seit ihrer Kindheit. Sie waren
bereits verlobt, als sie die Oberschule verließen. Da hat niemand sonst dazwischengefunkt.«
»Auf irgendeine Weise muß man den Burschen doch bremsen können«, murmelte Silk.
Ich stand auf und ging langsam um den Tisch herum. »Sicher, es gibt ein sehr einfaches Mittel. Ich brauche nur in sein Büro zu gehen und zu sagen: >O. k., Boys, hier bin ich, was kann ich für euch tun?<« Ich machte eine kleine Pause und drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus. »Weiter nichts.«
Silk hob beschwörend die Hand. »So war das nicht gemeint, Frank, das weißt du doch.«
»Wie soll ich wissen, was ihr miese Bande meint?« fauchte ich. »Ich weiß nur, daß ihr jedesmal, wenn etwas schiefgeht, winselnd hier angekrochen kommt, verdammt noch mal!
Seht ihr Idioten denn nicht, daß sie genau das bezwecken -daß sie euch so in die Zange nehmen wollen, bis einer von euch weich ist und auspackt. Dann haben sie uns alle.
Verhaltet euch ruhig und haltet gefälligst eure Schnauze! Überlaßt das Denken nur mir und macht euch nicht gleich in die Hosen, wenn der Wind mal etwas kräftiger bläst.
Ihr Burschen habt mich an diesen Platz gestellt, damit ich für euch eine Arbeit leiste. Und die leiste ich.« Ich blickte ihm fest in die Augen und schlug einen anderen Ton an.
»Oder seid ihr nicht zufrieden?«
»O nein, Frank«, protestierte Sil ein wenig zu rasch. »Wir sind durchaus zufrieden.«
Ich wußte, wie die Boys in New York redeten. Wenn ich ihnen die Gelegenheit gab, würden sie mich ohne Bedenken den Wölfen vorwerfen.
»Dann bestell ihnen, daß sie aufhören sollen, mit den Zähnen zu klappern. Außerdem kannst du ihnen sagen, daß ich über alle Schritte, die sie unternehmen, unterrichtet bin und daß ich
unbedingten Gehorsam erwarte.
Ich habe Vorsorge getroffen, daß jeder, der geschnappt wird, fünf Minuten nach seiner Verhaftung wieder freigelassen wird. Sag allen, sie sollen weitermachen, bis sie etwas anderes von mir hören.« Ich drehte mich um und setzte mich wieder in meinen Schreibtischsessel.
Silk nahm seinen Hut und ging zur Tür. »Ich werde ihnen ausrichten, was du gesagt hast, Frank.« Seine Stimme klang unterwürfig, aber in seinen Augen lag Gift und Galle.
Ich wechselte das Thema. »Du hast letzte Woche deine Einzahlung von 6000 Dollar in den gemeinsamen Fonds nicht geleistet. Da du gerade hier bist, gehst du am besten zu Price runter und bringst die Sache in Ordnung.«
»Wird gemacht, Frank«, sagte er,
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