Die Moralisten
bißchen mehr wie Burl Ives aus. Warum läßt du dir nicht den Bart und die Haare mal stutzen, anstatt hier den Hippie zu spielen?«
»Mir gefällt's«, erwiderte Paul Gitlin. »Und wenn wir hier schon Komplimente verteilen, dann sollte ich dich vielleicht an deine Manieren erinnern, mein Junge. Dein Vater hat immer dafür gesorgt, daß bei allen Konferenzen eine Flasche Glenmarangie vor mir auf dem Tisch stand.« Judd lächelte, hob eine Flasche hoch, die neben ihm auf dem Fußboden stand, und stellte sie, zusammen mit einem geschliffenen Whiskyglas, auf den Tisch. »Wir konnten nicht zulassen, daß du weiter untätig bleibst, Onkel Paul. Wir mußten dich schon deshalb aus dem Ruhestand wieder zurückholen, weil wir sonst hilflos vor dem größten Gle nmarangievorrat der Welt gestanden hätten. Geht's dir jetzt besser?« »Danke.« Gitlin öffnete die Flasche, goß sich ein halbes Glas ein und trank. »Nun zum Geschäft.« »Ich bin ganz Ohr«, sagte Judd.
»Der South-and-Western-Bankskandal hat uns voll getrof fen«, fing Gitlin an. »Ich habe aus zuverlässigen Kreisen gehört, daß der Kongreß einen Untersuchungsausschuß einsetzen wird, sobald die Vereidigung Reagans vorbei ist. Sie wollen mich gründlich verhören. Soviel ich weiß, sollst du auch vorgeladen werden.
Und sämtliche leitenden Beamten der Bank natürlich auch, sowohl die jetzigen als auch die früheren.«
»Die können uns doch nicht sehr viel anhaben. Schließlich haben wir die Regierung ja selbst alarmiert.«
»Darauf kommt es nicht unbedingt an. Hier geht es nicht um die Wahrheit, sondern um Politik, und Politik lebt von Schlagzeilen. Die Wahrheit steht irgendwo im Innenteil auf der vorletzten Seite ganz unten.« »Was schlägst du vor?«
»Wir haben Freunde«, meinte Gitlin. »Die werden wir bitten, uns zu helfen. Jetzt wird sich zeigen, wer zu uns steht und wer nicht.«
»Okay. Bring das in Gang.« »Es wird allerdings eine Menge Geld kosten.« »Dafür haben wir Geld«, erwiderte Judd. »Was gibt es sonst noch für Neuigkeiten?«
Gitlin goß sich einen weiteren Drink ein. »Du hattest recht, die brasilianischen Reaktoren stammen tatsächlich von einem unserer europäischen Verbündeten. Unserer Regierung ist das allerdings völlig egal.
Die Militärs sind sogar sehr zufrie den mit den Brasilianern. Es genügt ihnen vollkommen, daß sie antikommunistisch sind und uns gegen die Sowjetunion unterstützen.«
»Dann ist ja alles in Ordnung«, sagte Judd. »Dann machen wir das Geschäft mit Brasilien.« »Und was wird aus Mexiko?« fragte Gitlin. »Da steigen wir auch ein. Aber in kleinerem Maßstab. Von dort aus bedienen wir nur den mittelamerikanischen Markt.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Gitlin. »Einen Punkt möchte ich noch zur Sprache bringen, dann wären wir fertig für heute.«
»Worum geht es?« fragte Judd.
»Crane Island. Diese Insel für vierzig Millionen zu einem Ein-Mann-Paradies ausbauen zu lassen, ist völlig verrückt. Vor allem, weil du ja dort nur einen Zwischenaufenthalt ma chen willst, bis Xanadu selbst fertig ist. Warum wartest du nicht einfach noch ein, zwei Jahre?
Du holst diese Investitio nen doch nie wieder herein.«
»Zeit ist wichtiger als Geld. Das Crane-Island-Projekt geht mit voller Kraft weiter.« Judd sah sich um.
»Sonst noch etwas?«
»Nichts Besonderes«, sagte Gitlin. »Ich wollte dir nur sagen, daß die Russen deinem Vorschlag zugestimmt haben und sich bedanken. Die Sache mit der jugoslawischen Ärztin geht also in Ordnung.«
»Dann schließe ich hiermit die Sitzung.« Judd stand auf und küßte Onkel Paul auf die Wange. »Vielen Dank.« »Das ist eine ziemlich ungewöhnliche Methode, eine Konferenz zu beenden«, lächelte Gitlin. »Ich habe ja noch nicht mal die halbe Flasche leer.«
»Die darfst du in deinem Handtäschchen mit nach Hause nehmen und dort in Ruhe austrinken«, grinste Judd.
28
Zum Mittagessen gingen sie mit Onkel Paul ins Four Seasons an der Park Avenue. Barbara und Judd saßen direkt neben dem Wasserbassin, in dem glitzernde grüne Luftblasen aufstiegen. Jim, Barbaras Eh emann, saß Judd gegenüber. Judge Gitlin war Stammgast in diesem modernen Restaurant. Kaum hatten sie Platz genommen, stellte ein Kellner auch schon einen doppelten Scotch vor den Gastgeber. »Cheers«, sagte Paul und trank einen Schluck.
Paul Kovi und Tom Margittai, die beiden Geschäftsführer, erschienen mit einer eiskalten Flasche rosa Champagner, noch ehe sie etwas zu trinken bestellt
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