Die Morgengabe
da ist nun
plötzlich jemand, der ins Mikroskop schaut, als wäre der Objektträger mit dem
Pantoffeltierchen von Gott selbst vom Himmel herabgesandt worden. Und sie hilft
dem kleinen Pillenmädchen, das immer bei sämtlichen Prüfungen durchfällt.»
«Seit wann ist Miss Berger
eigentlich genau hier?» fragte Quin, dessen Laune von Minute zu Minute
schwärzer zu werden schien.
«Seit einer Woche. Aber was spielt
das denn für eine Rolle? Sie wissen doch selbst, daß man schon beim erstenmal,
wenn jemand eine Pipette zur Hand nimmt, sehen kann, wie die Aussichten
stehen.»
«Trotzdem geht sie», sagte Quin
kurz.
«Dann sagen Sie es ihr selbst.» Zum
erstenmal in den Jahren ihrer Zusammenarbeit trotzte Felton seinem
Vorgesetzten.
«Das werde ich tun», antwortete Quin
mit gewitterfinsterer Miene. «Bitte beschaffen Sie mir so schnell wie möglich
die Anmeldezahlen vom letzten Jahr. Der Vizekanzler möchte sie sehen.»
Felton nickte. «Ich habe sie fast
fertig. Sie können sie heute abend haben.»
Quin Somervilles Zimmer war in der zweiten Etage und
blickte über den Walnußbaum hinweg auf die Fassade des Hauses, in dem der
Vizekanzler wohnte, und auf den Torbogen mit seinem Durchblick zum Fluß. In
einer mit Sand gefüllten seichten Wanne lagen teilweise geordnet die Teile
eines Plesiosauriers; der Schädel eines Mastodon-Babys diente als
Briefbeschwerer. Am Fenster stand, mit einem Wollschal um den Hals, den seine
Tante Frances vergessen hatte, ein lebensgroßes Modell Daphnes, eines
weiblichen Hominiden aus Java, das Quin von der Oriental Exploration Society geschenkt worden war. Die Vase mit der langstieligen Rose, die auf seinem
Schreibtisch stand, war von seiner Sekretärin dorthin gestellt worden. Hazel
war eine friedfertige, glücklich verheiratete Frau, die die Abteilung auch ohne
Einmischung ihrer Chefs reibungslos hätte leiten können und das häufig auch
tat.
Als Ruth, zum Professor zitiert, das
Zimmer betreten hatte, war sie noch ganz beglückt gewesen von dem Erlebnis der
Vorlesung. Jetzt aber stand sie mit gesenktem Kopf und hatte Mühe, die Tränen
zurückzuhalten.
«Aber warum? Warum muß ich gehen?
Ich verstehe das nicht.»
«Ruth, ich habe es Ihnen erklärt. In
meinem alten College in Cambridge durften die Mitglieder des Lehrkörpers nicht
einmal Frauen haben, geschweige denn sie ins Institut mitbringen. Es
geht einfach nicht an, daß ich eine Frau unterrichte, mit der ich verheiratet
bin.»
«Aber Sie sind doch gar nicht mit
mir verheiratet!» widersprach sie leidenschaftlich. «Jedenfalls nicht richtig.
Sie schicken mir doch dauernd nur Papiere über die Auflösung der Ehe – über
Epilepsie und Blutsverwandtschaft und Nichtvollzug oder Vollziehung oder wie es
sonst heißt.»
«Es geht trotzdem nicht, Ruth,
glauben Sie mir. Wenn hier noch der alte Vizekanzler wäre, würde sich
vielleicht etwas machen lassen. Aber doch nicht mit den Placketts! Der Skandal
wäre entsetzlich. Ich müßte meinen Posten zur Verfügung stellen, was mir
eigentlich gar nichts ausmachen würde, aber man würde natürlich auch Sie mit
hineinziehen, und Ihr Leben hier stünde von Anfang an unter einem schwarzen
Schatten. Ganz zu schweigen davon, daß Sie Ihre Freiheit nicht so schnell
bekämen, wenn bekannt würde, daß wir uns täglich gesehen haben.»
«Ach so – die – na, wie heißt es
gleich? Die Kollusion – das schweigende Einverständnis, den Staat zu
beschummeln», sagte Ruth.
«Richtig. Die Kollusion. Seien Sie
vernünftig, Ruth. Ich werde mich um alles kümmern. Ich bin ziemlich sicher, daß
ich Ihnen in Kent einen Studienplatz besorgen kann. Dort gibt es zwar kein
Förderprogramm ...»
«Ich will aber nicht weg.» Ihre
Stimme war leise und leidenschaftlich. Sie war zum Fenster hinübergegangen,
und jetzt hob sie eine Hand und legte sie Daphne auf den Arm, als suchte sie
eine Gefährtin in der Not. «Ich will nicht. Hier sind alle so nett. Ich
habe mich gerade erst mit Pilly angefreundet, sie muß Wissenschaftlerin
werden, nur weil ihr Vater Sie in der Wochenschau irgendwo mit Yaks
herummarschieren sah, und das ist doch weiß Gott nicht ihre Schuld. Und
Sam hab ich versprochen, daß ich mal Paul Ziller in den Musikkreis mitbringe,
und Dr. Feltons Unterricht ist so interessant, und dabei haben er und seine
Frau solchen Kummer, weil sie einfach kein Baby bekommen, obwohl sie immer die
Temperatur ...»
«Das hat er Ihnen erzählt?» rief
Quin, der seinen Ohren nicht trauen wollte.
«Nein, nicht
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