Die Mütter-Mafia
etwas Peinlicheres passiert war, mit Ausnahme der Frau, die mit mir nach Julius' Entbindung auf einem Zimmer gelegen hatte. Ihr Name war Yola Haltmann gewesen, und sie war auch zwei Tage nach der Geburt ihrer Tochter immer noch dick wie ein Ballon. Wenn sie das Aquarium mit dem Baby darin über den Flur schob, wurde sie des Öfteren gefragt, wann es denn bei ihr endlich so weit sei, und darüber geriet sie verständlicherweise in Wut. Noch wütender machten sie Zeitschriften, in denen Bilder von prominenten Frauen gezeigt wurden, die drei Tage nach der Entbindung ihrer Kinder in bauchfreien Schlauchkleidern auf Partys tanzten und hinreißend aussahen.
»Wie zum Teufel soll das denn gehen?«, rief Yola aus und pfefferte die Zeitschrift an die Wand. »Unter dieses Kleid passt nicht mal ein Höschen, geschweige denn eine Damenbinde so groß wie ein Kopfkissen. Wir hocken hier mit unseren Dammschnitten in einem Schwimmring, tragen Netzunterhosen und haben Quarkwickel auf der Brust, und diese Frauen haben mit Wochenfluss und Milcheinschuss nicht das Geringste zu schaffen - mir soll noch einmal jemand erzählen, dass es einen gerechten Gott gibt!«
Am selben Tag verlor Yola die kopfkissengroße Damenbinde,von der sie gesprochen hatte, im Flur. Sie rutschte einfach aus ihrer Netzunterhose und fiel mit einem sanften Plumps auf das Linoleum. Jemand bückte sich und rief: »Sie haben da etwas verloren, Fräulein«, um es dann angewidert wieder fallen zu lassen, aber Yola ging einfach weiter, als habe sie es nicht gehört. Sie lebt heute unter einem anderen Namen in einer anderen Stadt.
Das war das einzige Ereignis, das mir einfiel, das peinlicher war als das, was ich mit dem Jaguarmann erlebt hatte.
Als ich im zehnten Stock ankam, war ich fest entschlossen, in Zukunft nicht mehr so redselig zu sein. Reden war Silber, Schweigen war Gold. Hätte ich in dieser Angelegenheit von Anfang an geschwiegen, würde ich mich jetzt bedeutend wohler in meiner Haut fühlen. Aber Fehler waren dazu da, damit man aus ihnen lernte, sagte Trudi immer. Das nächste Mal: einfach Klappe halten. Bei diesem Anton würde ich nur das Allernötigste sagen. Statt irgendeinen Unsinn von mir zu geben, konnte ich beispielsweise lächeln. Ich hatte sehr schöne Zähne.
Die Kanzlei von Mimis und Ronnies Anwalt und seinem Partner präsentierte sich in stylischem Wurzelholz, Edelstahl und Glas und roch nach vielen gewonnenen Fällen.
»Constanze Wischnewski. Ich habe einen Termin bei Herrn Alsleben«, sagte ich zu der jungen Frau am Empfang. Sie trug eine Wurzelholzbrille, passend zur geschwungenen Theke.
»Herr Doktor Alsleben ist gleich für Sie da«, sagte die Frau. Die Brille sah aus wie selbst geschnitzt. »Ein Käffchen?«
»Ja gerne«, sagte ich. Herr Doktor, aha. Dieser tolle Anton war auch noch promoviert. Sollte er mich tatsächlich zum Essen einladen, würde ich Lorenz davon erzählen. Er besaß eine Art natürlichen Bildungsneid auf alle Juristen mit Doktortitel. Es würde ihn schrecklich wurmen, wenn ich mit so einem ausging.
Ich setzte mich auf einen Ledersessel im geschmackvollen Wartebereich, und die Wurzelholzbrillenfrau servierte mir einen Cappuccino, der meine Nerven beruhigte. Allerdings nur vorübergehend. In der »Brigitte«, in der ich blätterte, gab es ein kleinemPortrait von Johnny Depp. Ich klappte die Zeitschrift zu, als ob sie Feuer gefangen hätte. Stattdessen nahm ich meine gesammelten Briefe von Brüderle, Süffkens und Becker heraus sowie alles, was ich von Lorenz und Ulfi zum Thema »harmonische Trennung« zusammengetragen hatte. Es war ein ansehnlicher Stapel.
»Sie können jetzt hineingehen«, sagte die junge Frau mit der selbst geschnitzten Sehhilfe. »Herr Doktor Alsleben erwartet Sie.«
Ich strich meinen Rock glatt, klemmte mir den Papierstapel unter den Arm und spazierte so elegant wie möglich in das Büro. Und ich lächelte. Herr Doktor Anton Alsleben stand vor dem raumbreiten Fenster, hinter dem sich ein beeindruckendes Köln-Panorama darbot. Aber ich hatte dafür keinen Blick übrig. Ich starrte nur entsetzt auf Herrn Doktor Alsleben.
Er war niemand anders als der Jaguarmann.
Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging zurück zur Tür.
»Wo wollen Sie hin?«, rief der Jaguarmann.
»Ich gehe und schaufei mir ein Loch«, sagte ich.
Der Jaguarmann holte mich an der Wurzelholztheke ein und hielt mich am Arm fest. »Ich verstehe, wenn Sie gewisse Vorbehalte haben, sich von mir anwaltlich vertreten zu
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