Die Mumie
ein Narr. Es war doch dein Plan, oder nicht? Du bist in mein Grab gekommen, du hast mich zurückgeholt. Nun weinst du, als wäre ich tot. Ja, du hast dich von mir abgewandt, als ich im Sterben lag!
Du hast sie das Leichentuch über mein Gesicht ziehen lassen!«
Er seufzte. »Nein. Das habe ich nie getan. Du erinnerst dich nicht an das, was geschehen ist.«
»Warum hast du es getan? Warum hast du mich zurückgeholt? Was waren wir füreinander, du und ich?« Wie paßten diese vielen vagen Erinnerungsfetzen zusammen? Wann würden sie ein zusammenhängendes Ganzes ergeben?
Sie kam näher, betrachtete seine Haut, berührte sie wieder.
So straff die Haut.
»Kennst du die Antwort nicht?« fragte er. »Ist sie nicht tief in dir?«
»Ich weiß nur, daß du dabei warst, als ich gestorben bin. Du warst jemand, den ich geliebt habe. Daran erinnere ich mich.
Du warst da und ich hatte Angst. Das Gift der Schlange hatte mich gelähmt und ich wollte nach dir rufen, aber ich konnte nicht. Ich bemühte mich. Ich habe deinen Namen ausgesprochen. Du hast mir den Rücken zugekehrt.«
»Nein! Nein, das kann nicht passiert sein! Ich stand da und habe dich angesehen.«
Die Frauen weinten, sie hörte es wieder. Geh weg von diesem Zimmer des Todes, dem Zimmer, wo Antonius gestorben war, der geliebte Antonius. Sie duldete nicht, daß sie den Diwan entfernten, obschon sein Blut die Seide getränkt hatte.
»Du hast mich sterben lassen.«
Etwas grob packte er sie an den Armen. War das seine Art?
»Ich wollte, daß du bei mir bist, so wie jetzt.«
»So wie jetzt. Und wie ist das? Was ist diese Welt? Ist sie die Unterwelt? Werden wir andere treffen, werden wir…« Aber vor einem Moment war es doch noch da gewesen. »Antonius be-gegnen!« sagte sie. »Wo ist Antonius!« Oh… aber sie wußte es.
Sie wandte sich ab. Antonius war tot und vergessen, er lag im Grab. Und er gab Antonius das Zaubermittel nicht. Es war alles wieder da.
Er trat hinter sie und umarmte sie.
»Als du nach mir gerufen hast«, sagte er, »was hast du da gewollt? Sag es mir jetzt.«
»Daß du leidest!« Sie lachte. Sie konnte ihn in der Spiegeltür des Schranks sehen und lachte über den Schmerz in seinem Gesicht. »Ich weiß nicht, warum ich dich gerufen habe! Ich weiß nicht einmal mehr, wer du bist!« Plötzlich schlug sie ihn.
Keine Wirkung. Als würde man auf Marmor schlagen.
Sie ging ins Ankleidezimmer. Sie wollte etwas Schönes. Welches war das schönste Kleid, das diese armselige Frau besessen hatte? Ja, das hier aus rosa Seide mit feinen Stickereien am Saum. Sie nahm es, schlüpfte hinein und machte rasch die kleinen Haken vorne zu. Ihre Brüste kamen darin wunderbar zur Geltung und der Rock war bauschig und so wunderschön, obwohl sie ihre Füße nicht mehr verstecken mußte.
Wieder zog sie die Sandalen an.
»Wohin gehst du?«
»In die Stadt. Dies ist Kairo. Warum sollte ich nicht in die Stadt gehen?«
»Ich muß mit dir reden…«
»Mußt du?« Sie hob die Stofftasche auf. Aus dem Augenwinkel sah sie eine große Glasscherbe auf dem marmornen Toilettentisch. Eine Scherbe der Flasche, die sie zerschmettert hatte.
Lässig ging sie darauf zu. Ihre Hände spielten mit den Perlen.
Die mußte sie auch nehmen. Natürlich würde er ihr folgen.
»Kleopatra, sieh mich an«, sagte er.
Sie drehte sich unvermittelt um und küßte ihn. Konnte man ihn so leicht zum Narren halten? Aber ja, seine Lippen verrieten es ihr, oh, so köstlich. Wie sehr er litt! Sie tastete blind nach der Scherbe, fand sie, nahm sie und schnitt ihm die Kehle durch.
Sie wich zurück. Er stand da und starrte sie an. Blut strömte an seinem weißen Gewand hinab. Aber er hatte keine Angst.
Er traf keine Anstalten, die Blutung zu stillen. Sein Gesicht drückte nur Traurigkeit aus, keine Angst.
»Ich kann auch nicht sterben«, flüsterte er leise.
»Ah!« Sie lächelte. »Hat dich auch jemand von den Toten auf-erweckt?«
Wieder stürzte sie auf ihn, trat nach ihm, krallte nach seinen Augen.
»Hör auf, ich flehe dich an.«
Sie hob ein Knie und rammte es fest zwischen seine Beine.
Die Schmerzen spürte er, ja. Er brach zusammen, und sie trat ihm so fest sie konnte an den Kopf.
Dann raste sie durch den Innenhof. Während sie mit der linken Hand die Stofftasche umklammerte, griff sie mit der rechten nach dem oberen Rand der Mauer. Und schon war sie drüben und rannte durch die schmale, unbeleuchtete Gasse.
Binnen weniger Minuten hatte sie das Automobil erreicht. Sie ließ sofort
Weitere Kostenlose Bücher