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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sollte.
    Es war undenkbar, die Behörden zu verständigen. Nicht nur, daß es keinen vorzeigbaren Zeugen dafür gab, was Henry getan hatte, sondern auch der Gedanke, Randolph weh zu tun, war mehr, als Julie ertragen konnte.
    Randolph war unschuldig. Das wußte sie instinktiv. Und sie wußte auch, daß das Wissen um Henrys Schuld der letzte Schlag für Randolph sein würde. Sie würde ihren Onkel verlieren, wie sie ihren Vater verloren hatte. Und obwohl ihr Onkel nie ein Mann wie ihr Vater gewesen war, war er doch von ihrem Fleisch und Blut und sie hatte ihn sehr lieb.
    Sie mußte an Henrys Worte von heute morgen denken. »Du hast nur noch uns.« Sie war gelähmt vor Schmerz und wieder den Tränen nahe.
    Ein Geräusch auf der Treppe schreckte sie auf. Sie drehte sich um. Und dann sah sie den Menschen, der die Last von ihr nehmen konnte, und sei es nur für eine kurze Weile.
    Sie hatte sich sehr sorgfältig für diesen Augenblick gekleidet.
    Sie hatte sich gesagt, daß ihr ganzes Tun eine Art Ausbildung für ihren verehrten Gast war, und hatte daher das beste Ko-stüm angezogen, das sie besaß, dazu ihren besten schwarz-krempigen Hut mit den Seidenblumen und natürlich Handschuhe – alles, um ihn mit der gegenwärtigen Mode vertraut zu machen.
    Aber sie wollte auch schön aussehen für ihn. Und sie wußte, daß ihr der burgunderfarbene Wollstoff gut stand. Ihr Herz raste wieder, als sie ihn die Treppe herunterkommen sah.
    Tatsächlich schwanden ihr fast die Sinne, als er die Eingangsdiele betrat, auf sie heruntersah und ihr dabei gefährlich nahe kam, so als wollte er sie küssen.
    Sie wich nicht zurück.
    Die Kleider ihres Vaters standen ihm gut. Dunkle Socken und Schuhe perfekt. Hemd richtig geknöpft. Seidenkrawatte exzen-trisch geknotet, aber wunderschön. Sogar die Manschettenknöpfe hatte er richtig angelegt. Mit dem seidenen Gehrock, dem schwarzen Übermantel und den grauen Flanellhosen sah er sogar beängstigend stattlich aus. Nur der Kaschmirschal saß völlig falsch. Er hatte ihn sich wie ein Soldat als Schärpe um die Taille gebunden.
    »Darf ich?« fragte sie, nahm ihn ab, legte ihn ihm um den Hals und steckte ihn in den Mantel. Sie strich den Schal sorgfältig glatt und bemühte sich, ruhig zu bleiben, während er sie mit seinen blauen Augen und dem seltsam weisen Lächeln eindringlich ansah.
    Jetzt kam das große Abenteuer. Sie gingen gemeinsam aus.
    Sie würde Ramses dem Großen das zwanzigste Jahrhundert zeigen. Dies war der aufregendste Augenblick ihres Lebens.
    Er nahm ihre Hand, als sie die Tür aufmachte. Er zog sie rasch an sich. Wieder schien es, als wollte er sie küssen, und ihre Aufregung verwandelte sich plötzlich in Furcht.
    Er spürte es und hielt inne, hielt ihre Hand nicht mehr ganz so fest, ein wenig zärtlicher. Dann beugte er sich hinunter und küßte ergeben ihre Hand. Und schenkte ihr ein überaus schalkhaftes kleines Lächeln.
    Wie, in Gottes Namen, sollte sie ihm widerstehen können!
    »Komm, gehen wir. Die Welt wartet!« sagte sie. Eine Droschke fuhr vorbei. Sie winkte rasch, dann gab sie ihm einen kleinen Schubs.
    Er war stehengeblieben und sah die breite Straße entlang, betrachtete die vielen Häuser mit ihren schmiedeeisernen Gittern und massiven Türen und Spitzenvorhängen und den rauchenden Kaminen. Wie lebendig, wie leidenschaftlich, wie wißbegierig er schien. Er folgte ihr beschwingten Schrittes und stieg auf den Rücksitz der kleinen Droschke.
    Sie mußte daran denken, daß sie in ihrem ganzen Leben nicht einmal ein Fünkchen dieser Leidenschaft in ihrem geliebten Alex gesehen hatte. Das stimmte sie einen Augenblick lang traurig, aber nicht, weil sie tatsächlich an Alex dachte, sondern weil sie zum ersten Mal ahnte, wie ihre alte Welt verblaßte und nichts mehr so sein würde wie früher.

    Samirs Büro im Britischen Museum war klein und vollgestopft mit Büchern. Der große Schreibtisch und die beiden Ledersessel waren viel zu wuchtig. Aber Elliott fand es dennoch gemütlich. Und Gott sei Dank brannte Feuer im Kamin.
    »Nun, ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen viel sagen kann«, sagte Samir. »Lawrence hatte nur einen Teil übersetzt: der Pharao behauptet, unsterblich zu sein. Er hat, so scheint es, nach dem Ende seiner offiziellen Regentschaft die Welt durchstreift.
    Er besuchte Völker, von deren Existenz die alten Ägypter nicht einmal etwas gewußt haben. Er behauptet, er sei zwei Jahrhunderte in Athen gewesen und habe auch in Rom gelebt.
    Schließlich zog er sich

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