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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gesehen hatte. Dann sah er zu den Büchern empor, die über Lawrences Schreibtisch an der Wand standen.
    »Du bist wahrscheinlich müde und willst schlafen«, sagte sie.
    »Ich bringe dich nach oben in Vaters Zimmer.«
    »Nein, mein liebster Darling, ich schlafe nicht, es sei denn, ich beschließe, dem Leben eine Zeitlang den Rücken zu kehren.«
    »Du meinst… du brauchst überhaupt keinen Schlaf!«
    »Ganz richtig«, antwortete er und strahlte sie erneut an. »Und ich will dir noch ein böses kleines Geheimnis verraten. Ich brauche die Speisen und Getränke gar nicht, die ich zu mir nehme. Ich verspüre einfach nur Verlangen danach. Und meinem Körper gefällt es.« Er lachte leise über ihre Betroffenheit.
    »Aber nun werde ich, wenn du gestattest, in den Büchern deines Vaters lesen.«
    »Selbstverständlich, dafür mußt du mich nicht um Erlaubnis bitten«, sagte sie. »Nimm dir, was du brauchst und was du willst. Zieh seinen Morgenmantel an. Ich möchte, daß du es dir bequem machst.« Sie lachte. »Ich fange schon an, so zu sprechen wie du.«
    Sie sahen einander an. Nur wenige Schritte trennten sie von-einander, aber dafür war sie dankbar.
    »Ich werde dich jetzt allein lassen«, sagte sie, doch er nahm unverzüglich ihre Hand, schlang die Arme um sie und küßte sie wieder. Dann ließ er sie fast grob los.
    »Julie ist die Königin in ihrem Reich«, sagte er fast entschuldi-gend.
    »Und deine Worte an Samir, wir wollen sie nicht vergessen.
    ›Aber vorerst, glaube ich, sollte ich Julie Stratford vor allem und jedem beschützen, der ihr etwas zuleide tun könnte.‹«
    »Ich habe nicht gelogen. Ich würde gerne an deiner Seite liegen. Damit ich dich besser beschützen kann.«
    Sie lachte leise. Sie wußte, daß sie jetzt hätte fliehen sollen, so lange es ihr noch möglich war. »Aber da ist noch etwas«, sagte sie. Sie ging zum nördlichen Ende des Zimmers und klappte den Grammophonkasten auf. Sie zog das Ding auf und überflog die Platten von RCA Victor. Verdis Aida. »Ja, genau das«, sagte sie. Und kein abstoßendes Bild auf der Hülle, das ihn hätte vor den Kopf stoßen können. Sie legte die schwere, zerbrechliche schwarze Scheibe auf den samtverkleideten Plattenteller. Sie legte den Tonarm auf. Dann drehte sie sich um und sah ihn an, als der Triumphmarsch der Oper begann, ein leiser, ferner Chor liebreizender Stimmen.
    »Das ist Zauberei! Die Maschine macht Musik!«
    »Nur aufziehen und abspielen. Und ich werde schlafen wie alle sterblichen Frauen, und träumen, gleichwohl meine Träu-me schon Wahrheit geworden sind.«
    Sie drehte sich noch einmal um und sah, wie er sich zur Musik wiegte, die Arme verschränkt, den Kopf gesenkt. Er sang mit, ganz leise, fast hauchend. Und allein der Anblick des weißen Hemds, das sich straff über seinem breiten Rücken und den kräftigen Armen spannte, reichte aus, ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen.

    Als es Mitternacht schlug, klappte Elliott das Tagebuch zu. Er hatte den Abend damit verbracht, Lawrences Übersetzungen immer wieder zu lesen und in seinen eingestaubten alten Bio-graphien des Königs namens Ramses der Große und der Kö-
    nigin Kleopatra zu blättern. In diesen historischen Schwarten fand sich nichts, das sich nicht in Einklang mit der unglaubli-chen Geschichte der Mumie hätte bringen lassen. Ein Mann, der sechzig Jahre lang über Ägypten geherrscht hatte, konnte verdammt gut unsterblich sein. Und die Herrschaft von Kleopatra VI. war in jeder Hinsicht mehr als bemerkenswert gewesen.
    Mehr als alles andere faszinierte ihn aber der Absatz, den Lawrence auf lateinisch und ägyptisch geschrieben hatte – die allerletzte Eintragung. Er hatte keine Mühe, es zu lesen. In Oxford hatte er sein Tagebuch in Latein geführt. Ägyptisch hatte er jahrelang zusammen mit Lawrence und dann allein studiert.
    Es handelte sich nicht um eine Übertragung der Schriftrollen.
    Dieser Abschnitt enthielt Lawrences eigene Anmerkungen zu dem Gelesenen.
    »Behauptet, er habe dieses Elixier einmal, und nur einmal genommen. Mehr war nicht erforderlich. Hat die Mixtur für Kleopatra gemacht, hielt es aber nicht für sicher, sie wegzuschütten. Hatte Angst, sie an sich selbst auszuprobie-ren. Man müßte sämtliche Chemikalien in diesem Grab genau untersuchen. Vielleicht befindet sich tatsächlich ein Stoff darunter, der eine verjüngende Wirkung auf den menschlichen Körper hat und das Leben drastisch verlängert.«
    Die beiden Zeilen in Ägyptisch waren ohne

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