Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
Frühstückstisch. Von oben klangen Geräusche durch offene Türen und pflanzten sich durch Balkendecken fort. Sie hörte, wie Antonia Wasser einlaufen ließ, sie hörte Noels gedämpfte Schritte vom Speicher. Der Ärmste, er hatte sich eine gewaltige Arbeit vorgenommen. Sie hoffte, er würde nicht nach ein paar Stunden den Mut verlieren und die Flinte ins Korn werfen und oben ein Chaos hinterlassen, das schlimmer war als vorher. Dann gurgelte das Badewasser durch das Ablaufrohr herunter. Sie hängte das Geschirrtuch auf, knipste die Lampen aus und ging hinauf. Antonia lag im Bett und blätterte in einer Illustrierten, die Penelope auf den Nachttisch gelegt hatte. Ihre braungebrannten, sehr schlanken Arme waren bloß, und ihr seidiges Haar breitete sich rings um ihr Gesicht auf dem weißen Kopfkissen aus. Penelope schloß die Tür hinter sich. »Hat das Bad dir gutgetan?«
    »Oh, es war herrlich.« Antonia lächelte. »Ich habe eine von den Badesalztabletten hineingetan, die auf dem Regal liegen. Ich hoffe, ich durfte es.«
    »Aber ja, dafür sind sie da.« Sie setzte sich auf den Rand des Betts. »Es hat dir wirklich gutgetan, du siehst nicht mehr so müde aus.«
    »Nein. Es hat mich aufgeweckt. Ich fühle mich wie neugeboren. Mir ist überhaupt nicht mehr nach Schlafen.« Oben, über der Balkendecke, wurde ein schwerer Gegenstand über den Boden geschleift.
    Penelope sagte: »Bei dem Krach, den Noel macht, ist es vielleicht gut so.«
    In diesem Moment fiel auf dem Speicher etwas mit einem lauten Krach hin, so daß die Decke erbebte, und dann schrie Noel: »Oh, verdammter Mist!«
    Penelope fing an zu lachen, und Antonia mußte ebenfalls lachen, aber dann hörte sie plötzlich auf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Oh, mein liebes Kind.«
    »Entschuldige.« Sie schniefte, langte hastig nach ihrem Taschentuch und putzte sich die Nase. »Es ist so schön, daß ich hier bei dir sein darf und wieder über etwas lachen kann. Weißt du noch, wie wir immer gelacht haben? Als wir damals zusammen in Ibiza waren, ist dauernd irgend etwas Lustiges passiert. Als du fort warst, war es nie mehr so wie vorher.«
    Sie war in Ordnung. Sie würde nicht weinen. Die Tränen waren rasch versiegt, und Penelope sagte zärtlich: »Möchtest du reden?«
    »Ja, ich glaube.«
    »Möchtest du von Cosmo erzählen?«
    »Ja.«
    »Es hat mir so leid getan. Als Olivia es mir sagte. Ich war so fassungslos. so fassungslos.«
    »Er hatte Krebs.«
    »Das habe ich nicht gewußt.«
    »Lungenkrebs.«
    »Aber er hat doch nicht geraucht?«
    »Doch, früher. Ehe du ihn kennengelernt hast. Ehe Olivia ihn kannte. Fünfzig oder mehr Zigaretten am Tag. Er hat aufgehört, aber es hat ihn trotzdem umgebracht.«
    »Hast du bei ihm gewohnt?«
    »Ja, die beiden letzten Jahre. Ich bin nach Ibiza gegangen, als meine Mutter wieder geheiratet hatte.«
    »War es schlimm für dich?«
    »Nein. Ich habe mich für sie gefreut. Ich mag ihren neuen Mann nicht sehr, aber das tut nichts zur Sache. Sie mag ihn. Und sie ist aus Weybridge fortgezogen und in den Norden gegangen, weil er dort arbeitet.«
    »Was macht er?«
    »Er hat einen kleinen Betrieb, eine Wollkämmerei oder so etwas Ähnliches.«
    »Bist du dort gewesen?«
    »Ja, ich bin einmal über Weihnachten hingefahren, im ersten Jahr, als sie verheiratet waren, aber es war schrecklich. Er hat zwei widerlich zudringliche Söhne, und es hätte nicht viel gefehlt, daß einer von ihnen mich vergewaltigt hätte, und ich war froh, als ich wieder fort war. Na ja, das mit dem Vergewaltigen ist vielleicht etwas übertrieben, aber es war der Grund, warum ich nicht zu meiner Mutter zurückgehen konnte, als Daddy gestorben war. Ich konnte es einfach nicht. Und der einzige Mensch, der mir in dem Augenblick einfiel, den ich um Hilfe bitten mochte, war Olivia.«
    »Ja, ich verstehe. Aber erzähl mir mehr von Cosmo.«
    »Ach. Es ging ihm eigentlich recht gut. Ich meine, ihm schien nichts zu fehlen. Dann fing er vor ungefähr einem halben Jahr an zu husten, und der Husten wurde immer schlimmer. Er wachte nachts auf und hustete, und ich lag da und hörte es und versuchte mir einzureden, daß es nicht weiter schlimm sei. Zuletzt überredete ich ihn dann, zu seinem Arzt zu gehen, und er ließ sich im Krankenhaus der Stadt gründlich untersuchen und Röntgenaufnahmen machen. Sie haben ihn gleich dabehalten. Sie haben ihn operiert und einen halben Lungenflügel entfernt und gesagt, er könne bald nach Haus, aber dann hatte er einen

Weitere Kostenlose Bücher