Die Muschelsucher
und hatte kornblumenblaue, ziemlich dicht beieinander stehende Augen und pralle rote Wangen, es sah alles in allem aus wie ein junger Kohlkopf und hatte keinerlei Ähnlichkeit mit irgend jemandem, den sie je gekannt hatte. Weder mit ihr noch mit Ambrose und auch nicht mit Dolly Keeling, und was ihren Vater und Sophie betraf, sah es ganz so aus, als flösse kein einziger Tropfen ihres Blutes in seinen erst eine Stunde alten Adern. »Ist sie nicht süß?« gurrte Schwester Rogers und beugte sich über das Bett, um sich am Anblick der Kleinen zu weiden. »Ja«, bestätigte Penelope schwach. Wenn andere Mütter im Krankenhaus gewesen wären, hätte sie steif und fest behauptet, es müsse eine Verwechslung vorliegen, und sie halte das Kind einer anderen, doch weil sie der einzige Entbindungsfall war, war dies sehr unwahrscheinlich.
»Sehen Sie sich nur diese schönen blauen Augen an! Wie eine kleine Blume, ja, wirklich. Ich lasse Sie einen Moment allein und rufe Ihre Mutter an.«
Aber Penelope wollte nicht mit dem Baby allein gelassen werden. Sie wußte einfach nicht, was sie zu ihm sagen sollte. »Nein, Schwester, nehmen Sie sie bitte mit. Ich könnte sie fallen lassen oder etwas anderes Schreckliches tun.«
Die Schwester erhob taktvollerweise keine Einwände. Manche jungen Mütter waren sonderbar, und sie hatte in ihrer langjährigen Praxis weiß Gott genug kennengelernt. »Meinetwegen«, antwortete sie und nahm das kleine Bündel wieder an sich. »Wie geht es meinem kleinen Liebling?« fragte sie es. »Wer ist meine Beste?« Und verließ unter mißbilligendem Kittelrascheln das Zimmer. Dankbar, die beiden los zu sein, legte Penelope sich aufs Kissen zurück. Lag da und starrte zur Decke. Sie hatte ein Kind. Sie war Mutter. Sie war die Mutter von Ambrose Keelings Kind. Ambrose.
Sie wurde sich zu ihrem Ärger bewußt, daß es nicht mehr möglich war, all das zu ignorieren und aus ihren Gedanken zu drängen, was während jenes schrecklichen Wochenendes passiert war, das von vornherein unter einem schlechten Stern gestanden hatte, weil der angekündigte Besuch ihres Mannes die Ursache für den einzigen richtigen Streit gewesen war, den sie jemals mit ihrer Mutter gehabt hatte. Penelope und Tante Ethel waren den Nachmittag über in Penzance gewesen, um bei einer hinfälligen alten Bekannten von Tante Ethel Tee zu trinken. Bei der Rückkehr nach Cam Cottage teilte eine strahlende Sophie ihrer Tochter mit, daß oben eine wunderbare Überraschung auf sie warte. Penelope war ihrer Mutter pflichtschuldigst in ihr Zimmer gefolgt, und dort sah sie anstelle ihres geliebten alten Betts ein brandneues und gewaltiges Doppelbett, das fast den ganzen Raum einnahm. Sie hatten sich noch nie gestritten, aber nun verlor Penelope in einer seltenen Aufwallung von Zorn die Beherrschung und sagte Sophie, sie habe kein Recht dazu gehabt, es sei ihr Zimmer, und es sei ihr Bett gewesen. Und es sei keineswegs eine wunderbare Überraschung, sondern eine sehr unangenehme. Sie wolle kein Doppelbett haben, es sei scheußlich, sie würde auf gar keinen Fall darin schlafen.
Sophies gallisches Temperament flammte auf und zeigte sich dem ihren gewachsen. Man könne einem Mann, der tapfer im Krieg gekämpft habe, einfach nicht zumuten, seine Frau in einem schmalen Jungmädchenbett zu lieben. Was sie eigentlich erwarte? Sie sei nun eine verheiratete Frau und kein kleines Mädchen mehr. Dies sei nicht mehr ihr Zimmer, sondern ihrer beider Zimmer. Wie könne sie bloß so kindisch sein? Penelope war in Tränen der Wut ausgebrochen und hatte geschrien, sie sei schwanger, und sie wolle gar nicht mit ihm schlafen, und zuletzt schrien sie sich an wie zwei Fischweiber.
Sie hatten noch nie eine solche Szene gehabt. Sie nahm alle Hausbewohner schwer mit. Papa war zornig auf sie beide, und die anderen schlichen auf Zehenspitzen herum, als hätte eine Explosion stattgefunden. Zuletzt vertrugen sie sich natürlich wieder, entschuldigten sich gegenseitig, fielen sich in die Arme, und die Sache wurde nicht wieder erwähnt. Aber es war kein gutes Vorzeichen für Ambroses Besuch. Rückblickend war Penelope sogar sicher, daß sie einen großen Teil zu dem Unglück beigetragen hatte. Ambrose. Sie war Ambroses Frau.
Ihre Lippen bebten. Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete und immer größer wurde. Tränen sammelten sich, stiegen ihr in die Augen, liefen über, rannen ungehindert über ihre Wangen und tropften aufs Kissen. Einmal angefangen, hörten sie
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