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Die Muschelsucher

Die Muschelsucher

Titel: Die Muschelsucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Segeltuchsneaker, und sie hinterließ eine Spur auf dem feuchten Gras. Sie schritt unter der Kastanie hindurch, sah die Lücke in der Ligusterhecke und ging zur Obstwiese. Ein schmaler Pfad führte durch das ungemähte Gras, in dem schon Osterglocken standen, die bald erblühen würden, an einem Aschenhaufen vorbei zu einer kürzlich geschnittenen Weißdornhecke. Sie ging durch die Pforte zu dem schmalen Fluß, der zwischen hohen Uferböschungen dahinströmte. Sie folgte ihm flußab unter den überhängenden Zweigen einiger Weiden hindurch, und als die Weiden aufhörten, sah sie weite Feuchtwiesen, auf denen Kühe grasten, und dahinter begann eine sanfte Hügellandschaft. Auf den höher gelegenen Weiden waren Schafe, und ein Mann mit einem Hund auf den Fersen schritt den Hang zu ihnen hinauf.
    Sie war nun in der Nähe des Dorfes. Die Straße beschrieb einen Bogen um eine alte Kirche mit einem gedrungenen Turm und kleinen Häusern aus goldgelbem Stein. Aus ihren Schornsteinen stieg Rauch von eben angezündeten Feuern kerzengerade in die unbewegte Luft. Die Sonne war im kristallenen Blau des Himmels ein ganzes Stück höher gestiegen, und ihre wärmenden Strahlen weckten den Geruch des Asphaltbelags der Brücke. Es war ein guter Geruch. Sie setzte sich auf die Brücke, ließ ihre naß gewordenen Beine über den Rand hängen und aß den Apfel zu Ende. Sie warf das Gehäuse in das klare Wasser und sah zu, wie es langsam um die eigene Achse gedreht und davongetragen wurde. Gloucestershire, fand sie, hatte eine poetische Schönheit und war besser, als sie es sich vorgestellt hatte. Und Podmore’s Thatch war traumhaft, und das Beste von allem war Penelope. In ihrer Nähe fühlte sie sich unwillkürlich sicher und geborgen und glaubte wieder daran, daß das Leben, das in letzter Zeit so unerträglich grausam gewesen war, doch noch Dinge für sie bereithielt, auf die zu warten sich lohnte. »Du kannst so lange bleiben, wie du möchtest«, hatte sie zu ihr gesagt, und das war sehr verlockend, aber sie wußte, daß sie nicht ewig bleiben konnte. Doch was sollte sie tun? Sie war achtzehn. Sie hatte keine Familie, kein Zuhause, kein Geld und keine beruflichen Fertigkeiten. In den wenigen Tagen, die sie in London gewesen war, hatte sie sich Olivia anvertraut. »Ich weiß nicht mal, was ich tun möchte. Ich meine, ich habe mich noch nie zu einem bestimmten Beruf hingezogen gefühlt. Wenn ja, wäre es bestimmt leichter. Und selbst wenn ich plötzlich beschließe, Sekretärin oder Ärztin oder Steuerberaterin zu werden. Die Ausbildung kostet soviel.«
    »Ich könnte dir helfen«, hatte Oliva gesagt.
    Antonia erschrak. »Bitte, du darfst nicht einmal an so etwas denken«, sagte sie. »Du bist nicht für mich verantwortlich.«
    »Irgendwie doch. Du bist Cosmos Tochter. Und ich habe nicht so sehr daran gedacht, große Schecks auszustellen. Ich dachte, ich könnte dir auf andere Weise helfen. Dich mit Leuten zusammenbringen. Hast du schon mal erwogen, als Fotomodell zu arbeiten?«
    Als Fotomodell. Antonia sperrte überrascht den Mund auf.
    »Ich? Aber das ist unmöglich. Ich sehe nicht gut genug aus.«
    »Man braucht nicht besonders gut auszusehen. Man braucht nur eine gute Figur und ein Gesicht, das Ausstrahlung hat. Und beides hast du.«
    »Ich könnte nie ein Fotomodell sein. Ich werde verlegen, sobald jemand einen Fotoapparat in meine Richtung hält.« Olivia lachte. »Daran würdest du dich schnell gewöhnen. Alles, was du brauchst, ist ein guter Fotograf, jemand, der dir Selbstvertrauen gibt. Ich habe es schon öfter erlebt. Häßliche Entlein werden auf einmal Schwäne.«
    »Ich nicht.«
    »Sei nicht so bescheiden. Du hast ein sehr gutes Gesicht, bis auf diese weißen Wimpern. Aber sie sind wunderbar lang und dicht. Es ist mir ein Rätsel, daß du keine Wimperntusche benutzt.« Antonia litt schrecklich unter ihren Wimpern und wurde jedesmal, wenn die Rede darauf kam, vor Verlegenheit rot. »Ich habe es versucht, Olivia, aber es geht nicht. Entweder bin ich allergisch gegen die Farbstoffe, oder es ist etwas anderes. Meine Lider schwellen an, und dann bekomme ich ganz dicke Backen und sehe aus wie eine Steckrübe, und meine Augen fangen an zu tränen, und das ganze Schwarz läuft mir das Gesicht herunter. Es ist eine Katastrophe, aber ich kann nichts dagegen machen.«
    »Warum läßt du sie nicht färben?«
    »Färben?«
    »Ja. Schwarz färben. In einem Schönheitssalon. Dann wären alle deine Probleme gelöst.«
    »Aber wäre ich

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