Die Muschelsucher
zog die Tür zu, schnallte sich an und startete den Motor. »Noel.« Er sah sie an, doch er lächelte nicht. In seinem markanten Gesicht war bloß Ablehnung zu erkennen, keine Liebe. »Es tut mir leid«, sagte sie. Er nahm die Entschuldigung mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis. Sie lächelte zaghaft. »Komm bald wieder.« Aber das Auto hatte sich schon in Bewegung gesetzt, und der aufheulende Motor übertönte ihre Worte.
Als er fort war, ging sie wieder ins Haus. Sie blieb am Küchentisch stehen, dachte an das Abendessen und wußte nicht mehr, was sie kochen wollte. Sie konzentrierte sich angestrengt auf das Nächstliegende, ging zur Speisekammer, holte Kartoffeln, ging mit dem Korb zum Spülbecken. Sie drehte den Kaltwasserhahn auf und sah zu, wie das Wasser herauslief. Sie dachte an Tränen, doch über das Weinen war sie hinaus.
Unfähig, etwas zu tun, stand sie einige Minuten da. Dann klingelte das Wandtelefon einmal ganz kurz und scheuchte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie öffnete eine Schublade und nahm ihr kleines, scharfes Messer heraus. Als Antonia die Treppe heruntergelaufen kam und zu ihr trat, schälte sie, äußerlich ganz ruhig, Kartoffeln.
»Entschuldige, wir haben stundenlang geredet. Danus sagt, er wird das Gespräch zahlen. Es muß zig Pfund gekostet haben.« Antonia setzte sich auf den Tischrand und wippte mit den Beinen. Sie lächelte und sah aus wie eine verschmitzte und zufriedene kleine Katze. »Ich soll dich herzlich grüßen, und er will dir einen langen Brief schreiben. Keinen Höflichkeitsbrief, sondern einen richtigen langen Brief. Er geht morgen zum Arzt und will uns anrufen, sobald er das Ergebnis erfahren hat. Er hörte sich sehr optimistisch an, kein bißchen deprimiert. Und er sagt, die Sonne scheint, sogar dort oben in Edinburgh. Ich bin sicher, das ist ein gutes Zeichen, findest du nicht? Ein hoffnungsvolles Zeichen. Wenn es regnete, wäre es sicher schwerer für ihn. Habe ich nicht Stimmen gehört? Hast du Besuch gehabt?«
»Ja. Ja, es war Noel. Er war das Wochenende über in Wales und wollte auf dem Rückweg guten Tag sagen. Ein sehr langes Wochenende, wie er betonte.« Es war alles in Ordnung, ihre Stimme klang gut, genau richtig, beiläufig und nicht belegt oder aufgeregt. »Ich habe ihn eingeladen, zum Essen zu bleiben, aber er wollte gleich weiter. Er hat nur etwas getrunken und ist dann wieder losgefahren. «
»Tut mir leid, daß ich ihn nicht gesehen habe. Aber ich hatte Danus so viel zu erzählen. Ich konnte nicht aufhören zu reden. Möchtest du, daß ich die Kartoffeln schäle? Oder soll ich Weißkohl oder etwas anderes holen? Oder den Tisch decken? Ist es nicht herrlich, wieder zu Hause zu sein? Ich weiß, es ist nicht mein Zuhause, aber ich habe das Gefühl, es ist es doch, und es ist wunderbar, wieder da zu sein. Du hast sicher das gleiche Gefühl, nicht wahr? Du bereust nichts?«
»Nein«, entgegnete Penelope. »Ich bereue nichts.«
Am nächsten Morgen um neun rief sie zweimal in London an und traf zwei Verabredungen. Zuerst würde sie Lalla Friedmann treffen.
Danus war um zehn zum Arzt bestellt, und sie hatten gestern abend überlegt, daß es mindestens halb zwölf werden würde, bis er anrufen konnte, um ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Aber der Anruf kam schon kurz vor elf, und Penelope nahm ihn entgegen, weil Antonia auf der Obstwiese war und Wäsche aufhängte. »Hier Podmore’s Thatch.«
»Ich bin’s, Danus.«
»Danus! Meine Güte, Antonia ist draußen im Garten. Wie sieht es aus? Erzählen Sie. Was für Neuigkeiten haben Sie für uns?«
»Keine.«
Ihr sank das Herz. »Sind Sie nicht beim Arzt gewesen?«
»Doch, und dann war ich im Krankenhaus, wo sie das Enzephalogramm gemacht haben, aber. Sie werden es nicht glauben, aber der Computer dort streikt, und sie konnten mir kein Ergebnis mitteilen. «
»Das ist ja unglaublich. Wie ärgerlich! Wie lange müssen Sie warten?«
»Ich weiß nicht. Sie konnten es nicht sagen.«
»Was werden Sie also tun?«
»Erinnern Sie sich, daß ich von meinem Freund Roddy McCrae erzählte? Ich habe gestern abend im Tilted Wig ein Glas mit ihm getrunken, und er fährt morgen früh für eine Woche zum Angeln nach Sutherland. Er hat mich eingeladen, mitzukommen und in seiner Kate zu wohnen, und ich habe beschlossen, die Einladung anzunehmen und einstweilen einfach abzuschalten. Wenn ich zwei Tage auf die Ergebnisse der Hirnuntersuchung warten muß, kann ich ebensogut eine Woche warten. Dann hänge ich wenigstens
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