Die Muschelsucher
eingeladen, oder er fuhr zu Leuten, die eine Villa in Südfrankreich hatten.«
»Und du?« Seine Stimme war sehr zärtlich.
»Es hat mir nichts ausgemacht. Ich wollte gar nicht fort. Wir hatten ein großes Haus in der Oakley Street, und hinten war ein herrlicher Garten, und ich brauchte nur ein paar Minuten zu gehen oder zu fahren, wenn ich in ein Museum oder eine Bibliothek oder eine Galerie wollte.« Sie lächelte, als sie sich an jene ausgefüllten und befriedigenden Tage erinnerte. »Das Haus gehörte meiner Mutter. Lawrence Stern hat es ihr gleich nach dem Krieg überschrieben. Mein Vater war.« Sie suchte das richtige Wort. »Ja, er war wohl ziemlich oberflächlich und leichtsinnig. Er hatte keinen Ehrgeiz und keine großen Fähigkeiten. Ich glaube, mein Großvater hat es gewußt und machte sich Sorgen über ihre Zukunft und wollte, daß sie wenigstens ein Heim hatte, wo sie ihre Kinder großziehen konnte.
Er war damals schon achtzig und hatte seit Jahren schwere Arthritis. Er wußte, daß er nicht mehr lange zu leben hatte.«
»Wohnt deine Mutter immer noch in der Oakley Street?«
»Nein, es wurde ihr zu groß und der Unterhalt kostete einfach zu viel, und deshalb hat sie es dieses Jahr verkauft und ist aufs Land gezogen. Zuerst wollte sie zurück nach Porthkerris, aber meine Schwester Nancy hat es ihr ausgeredet und ihr ein kleines Haus in Gloucestershire gesucht, in einem Dorf namens Temple Pudley. Der Gerechtigkeit halber muß ich sagen, daß es ein sehr hübsches Haus ist und daß sie sich dort sehr wohl fühlt. Das einzig Unangenehme ist der Name. Es heißt nämlich Podmore’s Thatch.« Sie rümpfte angewidert die Nase, und Cosmo lachte. »Du mußt zugeben, es klingt nicht sehr verlockend.«
»Ihr könntet es umtaufen. Mon Repos. Ist es voll von schönen Bildern von Lawrence Stern?«
»Nein. Leider nicht. Mutter hat nur drei. Ich wünschte, sie hätte mehr. Ich glaube, wenn der Markt sich so weiter entwickelt, könnten sie in ein oder zwei Jahren sehr wertvoll sein.« Dann sprachen sie von anderen viktorianischen Malern und kamen zuletzt auf Augustus John zu sprechen, und Cosmo stand auf und suchte seine zweibändige Biographie, die er früher einmal gelesen hatte und gern wieder lesen würde. Sie diskutierten längere Zeit über ihn und stimmten darin überein, daß man den alten Lüstling trotz seiner abstoßenden Angewohnheiten bewundern müsse, obgleich seine Schwester Gwen eine größere Künstlerin gewesen sei. Anschließend duschten sie und machten sich landfein und gingen ins Dorf hoch, zu Pedros Café, wo man draußen unter den Sternen sitzen und ein Glas Wein trinken konnte. Plötzlich, wie aus dem Nichts, erschien ein junger Mann mit einer Gitarre, setzte sich auf einen der primitiven Holzstühle und fing ohne große Präliminarien an, den zweiten Satz von Joaquin Rodrigos Concierto de Aranjuez zu spielen, und das laue Dunkel füllte sich mit der eindringlichen und stolzen, getragenen Melodie, die das Wesen Spaniens ist.
Antonia würde in einer Woche kommen. Maria hatte schon vor Tagen angefangen, ihr Zimmer herzurichten, sie hatte alle Möbel auf die Terrasse gestellt, die Wände getüncht, die Vorhänge und Wolldecken und das Bettzeug gewaschen und die Läufer unbarmherzig mit einem Rohrstock ausgeklopft.
Ihre unvermittelte Betriebsamkeit ließ Antonias Ankunft plötzlich ganz nahe rücken, und Olivia wurde von Besorgnis erfüllt. Es war nicht nur Egoismus, obgleich die Aussicht, Cosmo mit einem anderen weiblichen Wesen zu teilen, auch wenn es sich nur um seine dreizehnjährige Tochter handelte, gelinde gesagt beunruhigend war. Der wahre Grund war aber persönlicher Natur, die Angst, Cosmo zu enttäuschen, indem sie etwas Falsches sagte oder etwas Taktloses tat. Cosmo zufolge war Antonia absolut reizend und unkompliziert, aber das war kein Trost für Olivia, die noch nie mit Kindern zu tun gehabt hatte. Als Noel geboren wurde, war sie fast zehn Jahre alt gewesen, und als er so alt war, daß man mit ihm etwas anfangen konnte, hatte sie nichts mehr mit Spielen im Sinn und empfing ihre wichtigsten Eindrücke außerhalb der Familie. Da waren natürlich Nancys Kinder, aber sie waren so häßlich und so unerträglich frech, daß sie sich bemühte, den Kontakt zu ihnen auf ein Minimum zu beschränken. Was sagte man eigentlich zu Kindern? Worüber unterhielt man sich mit ihnen? Als sie eines späten Nachmittags geschwommen hatten und sich auf Liegen am Pool sonnten, schüttete sie Cosmo ihr
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