Die Muse des Mörders (German Edition)
den Tresen getreten war. Dem Alter nach zu urteilen musste es sich um René Kardos, den Goldschmiedsmeister, handeln. Er trat nach vorn und schüttelte Dominik die Hand.
»René Kardos. Mir gehört der Laden hier.« Er ließ Dominiks Hand los und musterte ihn neugierig. »Sie suchen etwas für Ihre Freundin? Jünger als Sie, schätze ich.«
»Unwesentlich.«
»Zehn Jahre?«
»Vier.«
Kardos lachte und nickte.
»Also ist sie vierundzwanzig?«
Dominik musste jetzt auch grinsen.
»Na klar.« Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie sich Oliver unauffällig zu der Hintertür stahl, aus der Kardos gerade getreten war. Auch der Goldschmied selbst bemerkte die Flucht seines jungen Lehrlings.
»Oliver, willst du dein Verkaufsgespräch nicht beenden?«
»Ich muss noch diesen Armreifen ausbessern, bevor die Kundin kommt, um ihn abzuholen. Wenn es recht ist.« Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand der Junge und sein Meister blickte ihm verwundert hinterher.
»Hat er Ihnen irgendwelche Unannehmlichkeiten bereitet? Er ist neu im Verkauf und noch etwas unsicher.«
»Nein, nein, alles bestens. Also, ich suche etwas für meine Geliebte. Dreiunddreißig, groß, schlank, südländischer Typ.« Dominik versuchte, weder Rebecca noch Hannah zu beschreiben.
»Da haben wir sicher etwas. Einen Moment bitte.« Kardos verschwand nach hinten und kam danach mit ein paar prächtigen Einzelstücken zurück, die er ihm der Reihe nach mit Begeisterung präsentierte. Es würde sich zeigen, ob sie auch prächtig genug waren, um die Begeisterung des Dolchstoßmörders zu wecken.
50.
Marie hielt Olivers Hand unter der Tischplatte und konnte seine Unruhe spüren. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm, da war sie sich immer noch sicher, auch wenn er standhaft so tat, als wäre alles in bester Ordnung. Ihr Vater erzählte Geschichten aus seinem Laden und Oliver stimmte hier und da ein. Alles war wie immer und trotzdem merkte sie, dass ihn etwas bedrückte. Seine Finger waren kalt und er aß kaum.
»Im Verkauf stellst du dich noch nicht besonders geschickt an.« Ihr Vater wandte sich an Oliver. Seine Kritik wirkte beinahe freundschaftlich. Wie es aussah, hatte er ihren Freund endlich akzeptiert. »Den Typen im Anzug vorhin hätten wir beinahe verloren.«
»Tut mir leid, ich …« Oliver schüttelte den Kopf und stocherte in seinem Essen herum.
Vielleicht fühlte er sich in der Gegenwart ihres Vaters einfach noch nicht wieder wohl, nach allem was vorgefallen war. Marie lächelte in sich hinein. Sie zumindest war uneingeschränkt froh darüber, dass er seine Meinung geändert hatte. Nur weil er allein geblieben war, nachdem ihre Mutter sie verlassen hatte, hieß das doch nicht, dass sie auch allein sein musste.
Ihr Vater winkte ab.
»Schon gut. Mit der Zeit lernst du das auch. Irgendwann schmeißt du den Laden allein.«
Marie blickte auf. Noch nie hatte er davon gesprochen, dass sein Geschäft eine Zukunft ohne ihn haben könnte.
»Bist du nicht zu jung, um dich zur Ruhe zu setzen?«
Ihr Vater sah sie an und grinste.
»Ja, du hast recht. Wahrscheinlich stehe ich in dreißig Jahren noch da.« Er nahm sein Weinglas und wog es nachdenklich in der Hand. »Ich hatte heute eine Begegnung mit Madeleine Scuderi. Sie ist über siebzig und arbeitet noch.«
Oliver sah auf und Marie spürte, wie er ihre Hand drückte.
»Du hast sie getroffen?« Seine Stimme klang heiser.
»Ja. Sie hatte eine Frage zu einem Schmuckstück von mir.«
»Die Scuderi hat Schmuck von dir?« Für Marie passte die unauffällige alte Dame nicht unbedingt zur schillernden Kundschaft ihres Vaters. »Seit wann?«
Er trank einen Schluck, dann schüttelte er den Kopf.
»Es hat etwas mit diesen Morden zu tun. Ich will dich nicht damit belasten.«
»Wie war sie so?«
»Nett, klug, aber sie scheint nicht viel Ahnung von Schmuck zu haben.« Er lachte. »Ich glaube, sie könnte einen echten Schatz nicht von wertlosem Zeug aus dem Kaugummiautomaten unterscheiden.« Er leerte sein Glas und stellte es ab.
Oliver drückte, vermutlich unbewusst, immer noch Maries Hand. Verwirrt sah sie zu ihm hinüber, doch er starrte wieder auf seinen Teller.
»Zu schade«, sagte er.
»Ja. Du sagst es.« Ihr Vater stand auf. »Ich gehe noch einmal in die Werkstatt.« Er lächelte die beiden an und verließ die Küche.
Marie sah Oliver an.
»Er gibt sich so große Mühe«, sagte sie. »Du solltest auch langsam über deinen Schatten springen. Er hat sich
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