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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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ein Zettel mit Annes Schrift: «Liebe Mutti, ich bin mit Patrick ins Kino gefahren. Wir wollen uns nach dem Film noch mit Freunden treffen. Es kann sein, dass ich bei Patrick übernachte. Also mach dir keine Sorgen, wenn ich nicht heimkomme.»
    Ich fasste es nicht. Dachte sie, dass ich das Band nicht abhöre? Oder dachte sie wie Olgert und Klinkhammer, dass man mir jeden Mist erzählen konnte?
    Der zweite Anruf war von Jürgen. Nur ein paar Kommandos und ein Fluch. «Vera, ich bin’s. Heb ab, wenn du da bist. Ich halte es für besser, wenn ich ein paar Tage in der Praxis schlafe. Wir brauchen beide ein bisschen Abstand. Verdammt nochmal, Vera, jetzt heb endlich ab, du musst doch längst wieder zurück sein. Was soll das denn? Wir können doch darüber reden. – Scheiße, die ist tatsächlich weg.»
    «Na», sagte Gretchen trocken, «wie’s aussieht, ist er ja auch weg. Am besten mach ich dir mal einen Kaffee.»
    Sie führte mich in die Küche, stieß einen leisen Pfiff aus und sagte: «Ach, du heiliger Bimbam.» Dann drückte sie mich auf einen Stuhl, schaute sich skeptisch um. «Hast du auch so was wie einen Wasserkessel?»
    «Das ist die Kaffeemaschine.»
    «Die fass ich nicht an.»
    «Ich mache den Kaffee.»
    «Geht’s denn wieder?»
    Als ich nickte, ging sie zur Tür. «Dann hol ich dir mal einen Schnaps. Wo habt ihr den?»
    «Ich will nichts trinken.»
    «Nur einen, du sollst dich nicht besaufen. Aber ich denke, du wirst ihn brauchen. Wo hast du das Zeug?»
    «Im Wohnzimmer», sagte ich und hörte sie dort eine Weile mit Flaschen und Gläsern klappern, ehe sie mit einem Cognacschwenker zurückkam. Sie hatte nur den Boden befeuchtet, blieb bei der Küchentür stehen. Mit einem Hauch von Anerkennung meinte sie: «Nobel habt ihr’s. Da muss man ja aufpassen, dass man das richtige Glas erwischt.»
    Ich füllte den Wasserbehälter der Maschine, setzte einen Filter ein. Sie ging zum Tisch, stellte das Glas ab und setzte sich. «Willst du mir sagen, was los ist? Warum sie dich alle sitzen lassen?»
    Ich wusste nicht, ob ich wollte. Ich wusste nur, dass ich das, was ich mir in der Scheune vorgenommen hatte, nicht tun konnte. Wenn ich das gekonnt hätte, hätte ich meine Ausbildung beendet. Ich hätte niemals die Pille «vergessen» und darauf gewartet, dass mich die erste Schwangerschaft von den Bettschüsseln und Urinflaschen befreite.
    Die Kaffeekanne füllte sich. Ich stellte Geschirr auf den Tisch. Es tat gut, hin und her zu laufen und dabei zu reden. Gretchen hörte zu, ernst und aufmerksam. Ich füllte unsere Tassen und setzte mich ihr gegenüber.
    «Und ich dachte schon», sagte sie, «du wärst im Dorf gewesen,als ich dich in der Scheune sitzen sah.» Sie griff über den Tisch nach meiner Hand. Ein flüchtiges Lächeln huschte um ihre Lippen, so flüchtig, dass ich es mir auch eingebildet haben kann.
    Sie tat sich schwer weiterzusprechen, aber sie tat es. «Ich halt nix davon, um den heißen Brei rumzureden.»
    Meine Hand hielt sie fest, häufte mit der freien Hand Zucker in ihre Tasse, rührte um. «Die von der Polizei denken, sie ist tot.»
    Das wusste ich doch! Was sollte sie sonst sein, wenn der Bus abgefahren und sie auf der Straße zurückgeblieben, aber nicht heimgekommen war?
    Gretchen zeigte auf den Cognacschwenker. «Jetzt trink mal, und dann trinkst du den Kaffee hinterher. Muss ja nicht sein, dass du mit ’ner Fahne im Dorf auftauchst. Ich glaub zwar nicht, dass sie was sagen, aber weiß man’s, ob ihnen das nicht gelegen kommt? Wenn sie dir den Lappen wegnehmen, kannst du nicht mehr fahren. Dem Doktor wär’s bestimmt recht.»
    Dann erklärte sie mir, dass man im Dorf dabei war, die Kanalisation zu inspizieren. «Ich war heut Mittag mal unten. Die Ziegler rief mich an und sagte Bescheid. Es war eine Menge Volk auf den Beinen. Ein paar von den Grünen standen rum und die zwei von der Kripo. Den Leuten erzählten sie, es wär nur ’ne Routineinspektion, weil neulich wieder alles unter Wasser stand. Könnte sein, dass ein paar Rohre verstopft sind. Aber jeder weiß, was sie suchen. Wenn’s Routine wär, ständen sie ja nicht dabei.»
    Als ich ihr meine Hand entzog und aufsprang, war auch sie mit einem Satz auf den Beinen. «Warte, ich komm mit.»
    Sie war schneller als ich, war noch vor mir in der Scheune. Dann saß sie neben mir, beobachtete mit Argusaugen die wenigen Handgriffe. Starten, Rückwärtsgang. Sie drehte sich um und kontrollierte, ob das Scheunentor breit genug war. Auf dem Hof

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