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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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mit einer umfassenden Erklärung über die Natur begonnen, die sich manchmal selbst half und auf ihre Weise verhinderte, dass etwas, was nicht lebensfähig war, überlebte.
    Mir schlug das Herz in der Kehle. Olgert betrachtete mich nachdenklich. «Ich sage ausdrücklich: könnte, Frau Zardiss. Das heißt nicht, es war so. Die Luftpumpe kann auch am Bahnhof geklaut worden sein. Es passiert häufig in letzter Zeit, dass sich ein paar Idioten an den Fahrrädern vergreifen, die am Bahnhof stehen und nicht angekettet sind. Lassen die Luft raus und hängen sie an eine Laterne.»
    «Laterne?» Mehr brachte ich nicht heraus.
    Olgert nickte. «So haben die Kollegen das Rad gefunden, Frau Zardiss. Es kann völlig in Ordnung gewesen sein, als es abgestelltwurde. Ich halte es für durchaus möglich, dass Ihre Tochter die beiden nur bat, ihr das Rad heimzubringen, weil sie zu Udo von Wirth gehen und sich bei der überfluteten Straße nicht damit aufhalten wollte, das Rad zu schieben. Nita und Menke versprachen ihr das, aber sie erlaubten sich einen letzten Scherz und nahmen das Rad mit in die Stadt.»
    «Und Rena nahmen sie nicht mit?»
    Er schüttelte verhalten den Kopf. Und ich wusste nicht mehr, worauf er hinauswollte. Was um alles in der Welt versuchte er mir schonend beizubringen? Hier in der Nähe!
    Nein, dachte ich. Nein! Nein! Nein! Wenn Nita sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, hat sie es durchgeführt, auf Biegen oder Brechen. Nita akzeptierte kein Nein.
    «Aber Sie haben doch einen Zeugen, der   …»
    «Nichts von Bedeutung gesehen hat», unterbrach Olgert mich.
    «Er hat immerhin gesehen, dass Menke meiner Tochter die Tüte wegnahm. Er hat gesehen, dass sie mit beiden Händen gegen die Fahrertür schlug, um ihre Sachen zurückzubekommen. Als das Auto vorbeifuhr, konnte Menke nichts tun. Aber als es weg war, könnte er die Tür noch einmal geöffnet und Rena in den Bus gezerrt haben.»
    Noch einmal schüttelte Olgert den Kopf und zählte an den Fingern ab. Der Daumen für die Strohstückchen aus den Reifenprofilen, die sie im Bus gefunden hatten. Der Zeigefinger für den Kleiderbeutel. Der Mittelfinger für drei Blutgruppen. Für Rena gab es keinen Finger.
    «Aber Tatsache ist», sagte ich, «die beiden haben vier Stunden beim Stall gewartet. Warum? Nur um zu sehen, dass Rena rauskommt und sich über zwei platte Reifen ärgert?»
    «Frau Zardiss», sein Ton bekam etwas Belehrendes. «Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass das Rad am Bahnhof beschädigt worden sein kann. Gewartet haben sie wahrscheinlich nur, um sich von Rena zu verabschieden.»
    «Das ist doch lächerlich! Das konnten sie auf dem Schulhof tun. Sie müssen irgendetwas verabredet haben, sonst wären sie nicht zum Stall gekommen und hätten da vier Stunden herumgesessen. Haben Sie vergessen, was Nita zu Frau   … Frau   …» Mir fiel der Name nicht ein. «Zu Hennessens Schwester gesagt hat? Wie lange braucht so ein Biest zum Abkratzen?»
    Ich spürte, dass ich zu eifrig wurde, um ihn und mich zu überzeugen. Meine Stimme überschlug sich fast, nur konnte ich sie nicht bremsen. «Wissen Sie, was ich glaube? Am Vormittag auf dem Schulhof hat Nita es geschafft. Rena gab endlich nach und sagte: ‹Gut, ich komme mit.› Natürlich hat sie das nicht mehr in ihr Tagebuch eingetragen. Sie hatte nicht die Zeit, wollte nur rasch etwas essen und sich von Mattho verabschieden. Sie hat nur diesen einen Satz geschrieben: Ich wünschte, ich könnte mit ihm gehen. Verstehen Sie? Mit
ihm
statt mit Nita. So war das gemeint.»
    Sein Blick machte mich rasend, so viel Mitgefühl und Bedauern in den Augen.
    «Aber dann trat Mattho die Fuchsstute in den Leib», fuhr ich fort. «Der Stute ging es schlecht. Und als Nita kam, um sie abzuholen, sagte Rena: ‹Tut mir Leid, ich kann doch nicht mitkommen.› Und Nita sagte: ‹Das wird ja nicht ewig dauern, bis das Biest abkratzt. Wir warten auf dich.› Diese Chaoten hätten nicht vier Stunden gewartet, um zu sehen, wie Rena sich über zwei platte Reifen ärgert. Und auch nicht, um sich von ihr zu verabschieden.»
    Olgert seufzte. «Frau Zardiss, die beiden hatten zwei Wochen vorher damit begonnen, sich von ihren Freunden zu verabschieden. Bei Janet Abel waren sie dreimal, bei Wiltrud Heister nur einmal für zehn Minuten, bei Uwe Lengries fast täglich und zuletzt gute drei Stunden. Lengries war Menkes Freund.»
    Er erzählte mir von den gravierenden Unterschieden im Beziehungsgeflecht solcher Cliquen. Zum Vergleich zog er

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