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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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den Wassermassen.
    Ich war weder ruhig noch gefasst, nur gelähmt, innen so steif wie Klinkhammer außen. Er sagte, die Firma hätte den Termin leider erst für diesen Montag geben können. Olgert kam zum Wagen, um mitzuteilen, dass sie mit diesem Abschnitt durch seien, dass sie sich jetzt zum nächsten und so weiter.
    Klinkhammer winkte sein übliches Nun-mal-langsam, was auch heißen konnte: Dann macht zu und redet nicht herum. Seht ihr nicht, dass ich mit einer heiklen Aufgabe beschäftigt bin? Er suchte mit den Augen die Menge ab. Vermutlich hielt er Ausschau nach Gretchen. Sie war nirgends zu entdecken. Er räusperte sich. «Es wäre mir lieber, wenn Sie zurückfahren, Frau Zardiss.»
    «Nein. Ich habe nicht weniger Rechte als die da.»
    «Die da», sagte er, «sind nicht persönlich betroffen. Für Sie ist es eine unnötige Belastung. Ihr Mann sagte   …»
    «Weiß mein Mann von dieser Aktion?»
    Er deutete ein Nicken an, das Haar fiel ihm ins Gesicht. Er steckte es wieder fest und schaute konzentriert durch die Frontscheibe dem Transit hinterher, der langsam anrollte. Der Fahrer musste zweimal auf die Hupe drücken, ehe man ihm Platz machte.
    «Wir haben ihn am Samstag informiert. Er hielt es für besser, wenn Sie vorerst nichts davon erfahren. Er wollte Sie nicht unnötig aufregen. Wir wollten früh beginnen und hofften, gegen Mittag fertig zu sein. Es hat sich leider etwas verzögert. Wir haben noch drei oder vier Schächte vor uns.»
    Ich versuchte nüchtern und sachlich zu klingen. «Und was hat Sie auf den Gedanken gebracht, sie könnte da drin sein?»
    Er rieb sich die Augen mit beiden Händen, ließ die Hände sekundenlang vor dem Gesicht, ehe er sie fortnahm und mich anschaute. Er schaute mich sehr lange an, eine halbe Ewigkeit, ehe er zu sprechen begann.
    Von Nita und Menke, von Wut, Hass und wüsten Drohungen; von Nitas Verzweiflung über Menkes Tod, den sie bei ihrem Anruf in Frankfurt als einen Akt göttlicher Gerechtigkeit bezeichnet hatte. Das waren nicht Nitas Worte, sondern Klinkhammers Umschreibung. Was Nita wörtlich gesagt hatte, mochte er nicht wiederholen. Es ging im Prinzip auch nur darum, dass Nita die göttliche Gerechtigkeit als äußerst ungerecht empfand. Ihrer Meinung nach hätte sie sterben müssen, nicht Menke. Der Yellowman hatte nichts getan.
    «Und was hat Nita getan, Ihrer Meinung nach?»
    Er antwortete nicht, spielte mit dem Zündschlüssel, steckte ihn plötzlich ein, startete den Wagen und sagte beim Anfahren knapp: «Ich bringe Sie heim.»
    Ich konnte nicht protestieren; er ließ mir nicht die Zeit, sprach von Uwe Lengries, von Nitas Ankündigung, ein paar Dutzend Scheißer auszurotten. Wir zählten für Nita zu den Scheißern. Und Rena gehörte seit zwei Jahren zu uns. Nita war sehr wütend gewesen, dass wir ihr den Zutritt zur Party verwehrt hatten. Nita hatte montags getobt und dienstags verkündet, sie würde es uns heimzahlen. Aber Nita war nur so lange stark gewesen, wie sie den Yellowman an ihrer Seite wusste. Ihn hilflos und blutend am Boden zu sehen, trieb Nita ans nächste Telefon und veranlasste sie zu einer Generalbeichte bei einer Institution, für die sie stets nur ein Naserümpfen gehabt hatte. Im Verlauf dieser Beichte waren die Worte über das Pferdchen gefallen.
    Und ich hatte es doch falsch beziehungsweise nicht alles verstanden. Den Anfang des Satzes, das Ende und ein winziges Detail aus der Mitte hatte ich überhört. Ein kleines Wort aus drei Buchstaben, von einem Schniefen beinahe völlig verschluckt. Fügteman es ein, dann hieß es: «Tut mir Leid, das mit dem Pferdchen, ich wollte das nicht tun. Ging aber nicht anders.»
    Klinkhammer sprach noch, da standen wir längst auf dem Hof. Er wollte mit ins Haus. Olgert würde anrufen, sobald die Aktion abgeschlossen sei. Er ließ sich nicht abschütteln, und es war noch ein Rest Kaffee in der Kanne. Kochend heiß, weil ich vergessen hatte, die Heizplatte abzuschalten, und pechschwarz wie die Schlabberhosen. Er musste schmecken wie Teer. Klinkhammer trank ihn, ohne eine Miene zu verziehen.
    Die langen Haarsträhnen hingen hinter seinen Ohren wie festgeklebt. Ich wünschte mir so sehr, dass wenigstens eine nach vorne fiel und ihn menschlich machte. Aber nichts passierte, auch nicht, als er sagte: «Ich hätte Ihnen das gerne erspart, Frau Zardiss. Es ist für die Eltern eine Tortur, das weiß ich. Wir haben nichts Handfestes. Wir haben, wenn ich es mal so ausdrücken darf, ein paar Sätze auf einem

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