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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht ihre Stärke. Aber die Tränen waren deutlich zu hören. Und wer kann einem weinenden Kind schon einen so harmlosen Wunsch abschlagen? «Na schön», sagte sie und ging vor mir her um die Ecke herum. Sie öffnete die Tür einen Spalt, gerade so weit, dass ich einen Blick ins Zimmer werfen konnte. Vater lag in dem einen Bett, Mutter in dem anderen. Sie schliefen. Die Schwester zog mich zurück und die Tür wieder zu.
    «Ich habe einen scheußlichen Tag hinter mir», sagte ich. Sie nickte, als habe Klinkhammer sie genauestens informiert. Dann griff sie nach meinem Arm, zog mich um die Ecke und schob mich ins Stationszimmer. Die obligatorische Tasse Kaffee half mir über die ersten Sekunden.
     
    Sie war nur eine Nachtschwester. Manchmal ist es leichter, in ein fremdes Gesicht zu sprechen. Über Nita und Klinkhammer, über Kanalrohre und Tagebücher, über gewollte und ungewollte Kinder, über Sauerkraut und Ohnmacht, über Fahrräder und Pferde, über Schwiegermütter und Anrufbeantworter, die nicht registrierten, wenn jemand ohne ein Wort wieder auflegt.
    «Ich muss unbedingt mit meinem Vater reden. Er hat gestern mit meinem Mann über diese Bänder aus Frankfurt gesprochen. Ich saß dabei, aber ich hatte so viel im Kopf, ich habe nicht alles mitbekommen. Nur, dass mein Vater die Uhr von Big Ben im Hintergrund schlagen hörte. Big Ben! Das ist London! Jede Wette, meine Tochter hat sich von den beiden zum Bahnhof fahren lassen. Sie muss nicht unbedingt den Zug nach Hamburg genommen haben, sie kann von Köln-Bonn aus geflogen sein. Und die Fluggesellschaften hat man nicht überprüft, sonst hätte Olgert mir das gesagt.»
    Die Schwester nickte zustimmend.
    «Klinkhammer ist ein Idiot. Eben hat er mir erklärt, dass erst Menkes Verletzungen Nita ans Telefon trieben. Aber wir haben drei solcher Anrufe bekommen. Ich bestreite nicht, dass Nita die Frankfurter Polizei angerufen hat. Doch warum sollte sie uns angerufen haben? Sie kann meine Tochter nicht getötet haben. Nehmen wir einmal an, sie hätte es getan und die Leiche irgendwo unterwegs aus dem Wagen geworfen, warum haben sie dann den Kleiderbeutel nicht hinterhergeworfen? Das Fahrrad haben sie sich ja auch vom Hals geschafft. Der Beutel war Belastungsmaterial, daran hätten sie gedacht.»
    Die Schwester nickte noch einmal.
    «Ich bin sicher, meine Tochter hat dreimal daheim angerufen. Und beim letzten Mal hat mein Vater sie missverstanden. Er hat ein paar Schwierigkeiten mit seinem Gehör, aber er gibt das nur ungern zu.»
    Die Schwester nickte zum dritten Mal.
    «Wenn ich mir vorstelle, wie oft sie es danach noch versucht hat. Ich war viel unterwegs. Wenn sie uns sagen will, wo sie sich aufhält und warum sie weggegangen ist, dann möchte sie bestimmt auch hören, wie wir reagieren, ob wir wütend auf sie sind. Dann wird sie nicht auf das Band sprechen. Sobald sie hört, dass das Gerät eingeschaltet ist, legt sie auf wie meine Schwiegermutter. Wenn meine Schwiegermutter mir das heute Nachmittag nicht gesagt hätte, ich hätte nie erfahren, wie dieses verdammte Ding funktioniert.»
    Die Schwester kam nicht dazu, ein viertes Mal zu nicken. Auf dem Flur waren Schritte zu hören, jemand klopfte leise an eine der Türen. Gleich darauf hörte ich eine Männerstimme. Was sie sagte, war nicht zu verstehen.
    «Moment», sagte die Schwester, stand auf, ging zur Tür und schaute den Flur hinunter. Ich erhob mich ebenfalls. Es wurde Zeit, dass ich heimfuhr, mir die Bedienungsanleitung des Anrufbeantworters durchlas und eine neue Ansage auf Band sprach. Nicht einpaar Worte und Zahlen wie Jürgen. Nur ein Wort, ein einziges. «Zardiss.» Und vielleicht gab es eine Möglichkeit, den verräterischen Piepton zu verhindern.
    Die Schwester bedeutete mir zu warten und ging eilig auf die Tür mit der Nummer 205 zu, hinter der zornige, gedämpfte Stimmen zu hören waren. Auch wenn ich nicht verstand, was gesprochen wurde, dass hinter der Tür zwei Männer miteinander stritten, war nicht zu überhören.
    Ich mochte nicht hinter der Schwester herrennen. Es hätte nach Neugier ausgesehen, und mich interessierte nicht der Streit in Kuhlmanns Zimmer. Also blieb ich stehen und wartete, obwohl ich es plötzlich sehr eilig hatte heimzukommen.
    Die Schwester öffnete die Tür, ich hörte eine Männerstimme zischen: «…   du machst ihn völlig fertig   … hast hier nichts mehr zu suchen, du nicht   … nochmal hier blicken lässt, schlag ich dich   …» Dann schloss sich die Tür

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