Die Mutter
Nachmittag entstand vor meinen Augen. Von drei bis vier in Matthos Box, die Arme um seinen Hals gelegt, das Gesichtin sein Fell gedrückt, stammelnd: «Eines Tages komme ich zu dir. Und dann holen wir Preise.»
Um vier fuhr der Transporter auf den Hof. Hennessen war im vorderen Bereich des Stalles damit beschäftigt, die Hufe der Fuchsstute zu reinigen. Matthos neuer Besitzer kam persönlich. Und er führte Mattho aus der Box, obwohl Hennessen riet, es Rena zu überlassen. Beim Tor scheute Mattho vor dem Sturm. Er tänzelte nervös, bockte, keilte, als man ihn vorwärts ziehen wollte, nach hinten aus und trat die Fuchsstute in den Leib.
Durch das verletzte Tier abgelenkt, mit dem sie entschieden mehr Zeit verbracht hatte als mit dem braunen Teufel, fand Rena ihre Fassung wieder. Sie kümmerte sich nicht länger um Mattho. Hennessen hatte gesagt, sie habe sogar mit ihm geschimpft. «Pfui, du Böser, geh weg. Ich will dich nicht mehr sehen. Schau, was du mit Tanita gemacht hast.»
Mattho wurde verladen, der Transporter rollte vom Hof. Rena kümmerte sich in der letzten Box um die Fuchsstute, die, ihrem Verhalten nach zu urteilen, starke Schmerzen hatte. Die Arme nun um ihren Hals geschlungen, das Gesicht in ihr Fell gedrückt. «Es wird alles gut. Ganz ruhig, Tanita, es wird alles gut.»
Hennessen lief ins Haus, um den Tierarzt zu rufen. Der Arzt kam erst nach sechs und blieb bis kurz vor zehn, weil zu befürchten stand, dass die Stute ihr Fohlen verlor oder innere Verletzungen hatte. Rena saß die ganze Zeit bei ihr. Erst als Hennessens Schwester nach meinem Anruf in den Stall kam … und so weiter.
Etwas an dieser Version schien Klinkhammer zu stören. Er wollte wissen, ob Hennessen sich am frühen Morgen nach Renas Verbleib erkundigt habe. Olgert schüttelte den Kopf und erzählte von dem mysteriösen Anruf. Klinkhammer schürzte die Lippen und nickte versonnen. Dann ließ er mich noch einmal und diesmal ausführlicher berichten, wie ich in den Stall gekommen war. Vor allem wollte er wissen, welchen Eindruck Hennessen auf mich gemacht habe und in welchem Zustand die Fuchsstute gewesen sei.
«Ich habe das Tier nicht gesehen. Hennessen wirkte bedrückt, er machte sich Sorgen.»
Wohl zu Recht. Hennessen hatte die Stute um fünf in der Früh erschießen müssen. Und Klinkhammer fragte sich nun, ob ein Tritt solch verheerende Auswirkungen gehabt haben konnte. Wenn ja, wie Hennessen sich dann in aller Seelenruhe um halb eins in der Nacht auf den Weg zur nächsten Kneipe hatte machen können. Ein Mann, dem seine Tiere über alles gingen, der mit und von ihnen lebte. In welchem Zustand die Stute denn gewesen sei, als wir zum zweiten Mal im Stall waren?
Ich verstand nicht, was an dem Pferd so wichtig für ihn war, und wurde heftig. «Ich weiß es nicht. Mein Mann hat nachgeschaut. Fragen Sie ihn.»
Klinkhammer fuhr wieder mit beiden Händen durchs Haar und schaute Olgert an. «Er war ziemlich konfus, und da war eine riesige Blutlache in der Box. Den knöpfe ich mir nochmal vor. Aber zuerst muss ich mit dem Veterinär sprechen. Mal hören, was mit dem Tier los war.»
Olgerts Gesicht überzog sich für zwei, drei Sekunden mit einem Schatten. Dann meinte er: «Ja, aber wir sollten uns auch darum kümmern, wohin der Hengst verkauft wurde.»
«England», sagte Klinkhammer knapp und strich zum dritten Mal in wenigen Minuten und wieder vergebens die zu langen Seitenpartien seiner Frisur nach hinten. Es machte mich verrückt, ihm dabei zuzuschauen, vor allem, als er hinzufügte: «Daran habe ich auch zuerst gedacht. Hennessen sagte, sie wollten es gestern noch bis Hamburg schaffen und mit der Fähre rüber. Dürfte knapp gewesen sein. Vielleicht sind sie die Nacht über hängen geblieben.»
Zur Abwechslung strich er mal mit einer Hand über sein Gesicht, wirkte plötzlich müde und alt. «Aber sie hat gesagt, eines Tages», murmelte er. «Eines Tages ist nicht sofort! Und sofort wäre um vier Uhr gewesen und nicht um zehn. Das waren sechs Stunden.»
Ein Blick von Olgert verschloss ihm den Mund.
Olgert lächelte mich an und sagte zu Klinkhammer: «Schicken wir trotzdem einen Wagen zur Autobahnauffahrt und einen zum Bahnhof.» Dann wollte er von mir eine exakte Beschreibung von Renas Rad. Marke, Farbe, Serien- oder Rahmennummer, besondere Kennzeichen wie Aufkleber oder Wimpel.
«Wozu?», fragte ich. Olgert erklärte es, nachdem Klinkhammer das Haus wieder verlassen hatte. Entweder den Zug oder den Daumen in den Wind,
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