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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wenn André Menke sie mitgenommen hatte?
     
    Ich hatte einmal einen Film gesehen, Sciencefiction, es war lange her. Die Erfindung einer Zeitmaschine! Man konnte nicht damit reisen, nur schauen – und auch nur in die Vergangenheit. Das Gerät, nicht mehr als ein schwarzer Kasten, wurde an den Ort gebracht, an dem ein ungeklärtes Ereignis oder Verbrechen stattgefunden hatte. Der Erfinder schaltete es ein, richtete eine Linse gegen den Himmel. Und aus den Sternen holte er die Bilder zurück. So ein Gerät brauchte ich.
    «Gretchen war gestern hier», sagte die Frau. «Aber wir hatten letzte Woche keine Gäste. Vor vierzehn Tagen waren zwei Männer hier, für eine Nacht. Sie sind aber nicht im Dorf rumgelaufen, wollten nur das große Zimmer. So was gibt’s. Ich hab’s ihnen gegeben. Warum nicht?»
    Ich nickte. Warum nicht?!
    «Der Engländer hat auch mal hier übernachtet», sagte sie. «Aberletzte Woche war keiner da.» Sie schüttelte den Kopf. «Ist auch Blödsinn zu denken, dass ein Fremder sich ein Mädchen schnappt, das zufällig vorbeikommt. An so was glaub ich nie und nimmer. Gretchen sagte, sie glaubt’s eigentlich auch nicht, aber fragen kostet nichts. Gretchen meint, das war einer, der sie kannte. Man müsste mal rumfragen, wer bei dem Wetter so spät noch unterwegs war.»
    Nur ein Lkw, ein roter Kadett, der Tierarzt, ein grauer Kleinbus, die Feuerwehr und ich!
    Die Frau wiegte bedächtig den Kopf. «Na, ein paar mehr wohl. Es muss ’ne Menge los gewesen sein in der Nacht. Sie sollten sich mal mit Königs Fred unterhalten. Sie kennen ihn ja.»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Natürlich kennen Sie ihn», belehrte sie mich. «Unser Brandmeister. Er sagte, wenn das Mädchen bei Hennessen weg ist, muss es auf dem Stück bis zur Spar- und Darlehenskasse in ein Auto gestiegen sein. Anders ist das nicht zu erklären. Und es waren genug Idioten unterwegs, sagte Fred. Seine Männer waren die ganze Nacht im Einsatz. Als ob sie mit dem Wasser noch nicht genug zu tun gehabt hätten, mussten sie auch noch zwei junge Burschen aus einem Auto schneiden. Hatten sich um einen Baum gewickelt. Ungefähr an derselben Stelle, wo es die Annegret erwischt hat.»
    Sie nickte schwer. «Ist ’ne gefährliche Kurve da oben. Der Udo soll ja auch noch so schwer verunglückt sein, hab ich gehört. Ist aber nicht hier gewesen. Und er hat Glück gehabt. Ihm ist nix passiert. Nicht auszudenken, wenn er sich auch noch den Hals gebrochen hätte. Sie haben wohl so was befürchtet, die von Wirths, meine ich. Zweimal hat Fred den Alten fahren sehen, er hat wahrscheinlich nach Udo gesucht, einmal um zwölf und einmal um vier.»
    Mit einem langen Seufzer fügte sie hinzu: «Das war ein rabenschwarzer Tag für die von Wirths.» Sie sagte es, als sei es für uns ein rosiger Tag gewesen. Aber dann lächelte sie verlegen. «Na, fürSie ja auch.» Sie hob die Weinbrandflasche und wollte mein Glas noch einmal füllen. Ich winkte ab.
    «Lieber noch ’n Kaffee?», fragte sie. Ich nickte und hatte nur ein Wort im Kopf: Wenn!
    «Und wenn sie nicht bei Hennessen weg ist?», fragte ich. «Kann man ihm so etwas zutrauen?»
    Ich fühlte mich kalt, stand daneben, schaute zu. Gretchen meint, hatte sie gesagt! Dann konnte Rena auch bei Gretchen nicht von Fluchtplänen gesprochen haben. Ich sah sie irgendwo liegen, klar und deutlich sah ich sie. Wo sie lag, war es dunkel und eng, kalt und feucht. Verscharrt im Dreck. Und wo immer er gescharrt hatte in der Nacht, der Regen hatte die Stelle wieder glatt geschliffen.
    Die Frau starrte mich an. Ich dachte, sie würde mir nicht antworten. Hennessen war einer von ihnen, im Dorf geboren und aufgewachsen. Gegen ihn war ich ein Niemand. Sekundenlang hatte sie einen Ausdruck auf dem Gesicht wie eingeschlafen. Dann wiegte sie den Kopf.
    «Man will ihm ja nichts, aber mir wurde ein bisschen mulmig, als Fred sagte: Wenn sie da weg ist. Und Scherer hat zu Fred gesagt, Hennes wär komisch gewesen in der Nacht, als er bei Friedel reinkam. Nervös wär er gewesen, hätte viel geredet, wie einer, der unbedingt was loswerden muss, gesoffen hätte er auch mehr als sonst. Scherer soll auch gesagt haben: ‹Ich an seiner Stelle wäre sofort mit den Leuten gegangen. Ein Mädchen ist doch wichtiger als ein Pferd. Da sollte man fast meinen, er wusste, dass sich das Suchen nicht lohnt.› Vielleicht reden Sie mal mit Scherer oder mit Fred.»
    Mein Herz schlug in der Kehle und den Fingerspitzen. «Würden Sie den Kaffee und den Weinbrand

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