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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wir sofort informiert. Und Sie selbstverständlich auch.»
    Selbstverständlich, dachte ich. Ich werde ja über alles informiert. «Ich würde mir gerne die Bänder anhören, die Sie meinem Mann und meinen Eltern vorgespielt haben.»
    Er bedauerte außerordentlich. Die Aufzeichnungen standen ihm momentan nicht zur Verfügung. Und an den Satz «Pferdchen wollte das nicht tun» erinnerte er sich beim besten Willen nicht. Da musste ich etwas falsch verstanden haben.
    Ich hatte es richtig verstanden, das war an seiner Nasenspitze abzulesen, auch wenn er sich große Mühe gab und viel Übung darinhatte, seine Gedanken hinter einem Pokerface zu verbergen. Er gab sich zu viel Mühe und machte sie damit deutlich. Und quer über die Stirn geschrieben stand ihm, dass ich keine ehrliche Antwort bekommen würde, egal, was ich fragte.
    Es war sinnlos, noch länger bei ihm zu sitzen. Ich fragte nach Renas Fahrrad. Er stand auf und wollte mit mir hinausgehen. «Kann ich auch die restlichen Tagebücher mitnehmen? Oder brauchen Sie sie noch?»
    «Ja», sagte er, und weil aus dem einen Wort nicht ersichtlich war, ob er den ersten oder den zweiten Teil meiner Frage beantwortete, fügte er nach ein paar Sekunden hinzu: «Wir brauchen sie noch.»
    «Wozu?»
    «Sie enthalten ein paar interessante Hinweise.»
    «Worauf?»
    Er zögerte, begann vage: «Das ist nicht so einfach zu erklären. Sehen Sie», ein erneutes Lächeln nahm dem Seitenhieb etwas von seiner Schärfe, «niemand hat es gerne, wenn er mit einer vorgefassten Meinung von oben irgendwohin kommandiert wird. Ich will offen sein, Frau Zardiss. Ich hatte auch eine vorgefasste Meinung und fand sie anfangs bestätigt. Nun bin ich mir nicht mehr so sicher. Inzwischen glaube ich, Ihre Tochter recht gut zu kennen. Ich bilde mir jedenfalls ein, dass ich mir ein Urteil erlauben kann.»
    Sein Lächeln verschwand so plötzlich, als hätte ihn jemand vors Schienbein getreten. Mit einem Schlag schien ihm bewusst zu werden, welche Schlüsse ich aus seinen Worten ziehen könnte. Und es war ihm verboten worden, mir Material für Schlussfolgerungen zu liefern.
     
    Olgert bemühte sich, die Scharte auszuwetzen und so zu tun, als dienten ihm Renas Tagebücher nur als Charakterstudie. Minutenlang sprach er über tatsächliche Begebenheiten und die Vorstellungswelteines relativ unkomplizierten jungen Mädchens. Das den einen Tag davon träumte, dem heiß geliebten Mattho den Lorbeerkranz um den Hals zu legen und selbst den Siegespokal in Empfang zu nehmen.
    Am zweiten Tag schwärmte das Mädchen vom eigenen Reitstall, am dritten von einem Job als Pferdepflegerin, am vierten begnügte es sich mit den Seehunden im Zoo. Am fünften verstieg es sich zu der unsinnigen Hoffnung, eine Drei in Mathe zu schaffen und vielleicht doch noch in Großvaters Fußstapfen treten und Jura studieren zu können! Und all denen, die Pferden etwas Böses taten, als strenge Richterin auf die Finger zu klopfen. Und nach einem aufreibenden Tag bei Gericht am Abend ein kleiner Ausritt mit einem eigenen Liebling, dem niemand mit einem Knüppel vor die Beine schlug, damit er höher sprang.
    Und zwischen den Träumen verstreut kurze Notizen über die Realität. Über die dicke Luft zwischen Hennes und Udo:
    Ich verstehe das nicht. Sie haben sich immer so prima verstanden. Udo hat mal gesagt, mit Hennes kann er besser reden als mit seinem Vater. Und jetzt reden sie überhaupt nicht mehr miteinander. Seit drei Tagen kein Wort.
    Am Donnerstag haben sie sich gestritten. Hennes hatte nur gefragt, ob Udo eine halbe Stunde länger bleiben kann, da ist er ausgerastet. Er muss noch zu seiner Schwester. Er muss da unbedingt etwas machen, das hat er Annegret schon vor Wochen versprochen, und nie kommt er dazu, weil Hennes ihn festhält.
    Das hätte er ihm auch in einem anständigen Ton sagen können. Warum kommt er überhaupt noch, wenn er sich von Hennes ausgenutzt fühlt?
    Ich hatte mir vorgenommen, heute mit Udo zu sprechen. Aber Armin meinte, ich solle ihn lieber in Ruhe lassen, weil er sich im Moment selbst nicht leidenkann. Das ist mal ein wahres Wort. Besser hätte ich das auch nicht ausdrücken können.
    Über die Furcht vor dem erneuten Ausbruch seiner Krankheit, die Horst auf dem Rücken des Apfelschimmels zu bekämpfen suchte:
    Manchmal tut er mir so Leid. Er will nicht, dass wir es merken. Aber da müsste man blind sein. Das ist doch auch nichts, wofür er sich schämen muss. Er hat so gelitten damals, da ist es doch normal,

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