Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett Mcbean
Vom Netzwerk:
seinem Garten, schrie sie in den Stofffetzen, der in ihrem Mund steckte, leerte ihre Blase - sie konnte nichts dagegen machen - und wartete auf die nächste Runde im kranken Spiel des Mannes.
    Die Runde begann ein paar Minuten später mit einem Messer, das sich ihr in den Magen bohrte.
     
    DANNY , DER SCHRIFTSTELLER
     
    Allmählich sah es schon ziemlich nach Weihnachten aus.
    Zumindest in den Vororten, wo die Häuser mit Lichterketten verziert und die Bäume mit Lametta geschmückt waren. In der Stadt weihnachtete es sogar noch mehr; die riesigen Kaufhäuser waren die größten Huren: Sie gaben vor, es ginge ihnen um die wahre Bedeutung des Festes, wenn es ihnen in Wahrheit doch nur darum ging, die Brieftaschen der Konsumenten zu leeren - nicht die der Menschen, die der Konsumenten.
    Nur so eine Idee, lachte Danny innerlich: Wenn die Läden wirklich so vom Geist der Weihnacht erfasst sind, wieso verteilen sie ihre Waren dann nicht kostenlos? Da draußen gab es eine Menge Leute, die die hundert Dollar teuren Geschenkkörbe mit Kaffee und Pralinen gut gebrauchen konnten.
    Leute wie Danny.
    Deshalb war er so gern an Heiligabend auf dem Highway unterwegs: Hier gab es nicht einmal einen Hauch dieses albernen Feiertags (abgesehen von den Radiosendern, die die uralten verstaubten Weihnachtslieder wieder auspackten, weshalb er auch eine Best-of-Pearl-Jam-Kassette abspielte, die er aufgenommen hatte). Die Autos waren nicht mit blinkenden Lichtem geschmückt, auf den Stoßstangen klebten keine blöden Plastik-Weihnachtsmänner und es gab kein falsches Lächeln und keine leeren Versprechungen. Nur denselben alten Highway, der sich bis in alle Ewigkeit zu erstrecken schien - und Danny und seinen 1982er Mazda 323, die auf ihm entlangtuckerten und Blei in die ansonsten klare, aber glühend heiße Luft des Sommerabends bliesen. Er hatte das Fahrer- und das Beifahrerfenster heruntergekurbelt - eine Klimaanlage war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte, aber das war ihm egal. Auch wenn er nur zehn Mäuse davon entfernt war, total abgebrannt zu sein, war er vermutlich glücklicher und freier als all diese Schwachköpfe, die bei ihren unangenehmen Familienabendessen so taten, als könnten sie Tante Mavis und Onkel Wie-heißt-er-noch-gleich richtig gut leiden.
    So banal dieser Gedanke auch sein mochte, er glaubte wirklich die Menschen hätten den Sinn fürs Geben verloren. Und zwar nicht nur an Weihnachten, immer. Ihm schien, als ob niemand mehr einen Scheiß auf irgendjemand gab - außer auf sich selbst und alle, die sie in Sachen Status und Wohlstand noch übertrafen.
    Deshalb hatte er angefangen, Romane zu schreiben. Es war das Lesen, das ihn vor dem Tod bewahrt hatte, und es war das Schreiben, das ihm einen Grund zu leben geschenkt hatte. Schreiben war seine Art, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, und er wäre der glücklichste Mensch auf der Welt, wenn seine Bücher auch nur einen Menschen vor der Trostlosigkeit des Lebens retteten.
    Natürlich musste er dazu erst einmal veröffentlicht werden, denn sonst waren ein paar Bäume das Einzige, was sein Roman rettete.
    Die Menschen, die von seinem Schreiben wussten - nicht, dass es davon viele gab - fanden es seltsam und ironisch, dass er versuchte, durch das Schreiben von Horrorromanen seine Mitmenschen zu retten. »Werden der ganze Tod und all diese Gewalt nicht eher dazu führen, dass die Menschen sich umbringen - oder andere?«, fragte seine Mum oft. Sie verstand es nicht. Auch ihn hatte ein Horrorroman gerettet - so hatte er sich seiner Sterblichkeit ohne das Risiko des Todes stellen und sich bewusst machen können, dass sein Leben tatsächlich noch viel schlimmer hätte sein können.
    Es war eine Art Ventil gewesen, durch das er seine Wut und seine Niedergeschlagenheit in etwas Greifbares hatte umleiten können. Der Horror hatte ihn gerettet, und nun wollte er den Gefallen auf die beste Art zurückzahlen, die er kannte, und das Endprodukt seiner Bemühungen befand sich in dem ramponierten braunen Aktenkoffer, der auf dem Beifahrersitz lag.
    Er schaute zu dem Koffer hinüber und wurde von Stolz erfasst; im selbem Moment sah er aus dem Augenwinkel eine Gestalt, die neben dem Highway entlangtrottete.
    Er schaute in den Rückspiegel und dachte, er habe sich vielleicht doch nur etwas eingebildet (es wäre nicht das erste Mal gewesen) und nur einen ausrangierten Kühlschrank oder ein Auto gesehen.
    Ein Kühlschrank, der sich bewegte?
    Er hatte sich jedoch nichts eingebildet

Weitere Kostenlose Bücher