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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett Mcbean
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Runterspülen.
    Cynthia notierte seine Bestellung, drehte sich um und ging hinkend zum Tresen.
    Sie schien sich ein Bein irgendwann schlimm gezerrt oder sogar gebrochen zu haben. Sie schien keinen Gips zu tragen und sie benutzte auch keine Krücken; wenn es also eine ernste Verletzung gewesen war, lag sie schon eine Weile zurück.
    Der Junge am Nebentisch schaute der Kellnerin über die Schulter nach, und als seine Mutter sah, dass er sie anstarrte, schlug sie ihm auf die Hand, und er wirbelte wieder herum. »Hör auf, sie anzustarren«, sagte die Mutter.
    Greg ertappte sich dabei, wie er die Mutter anstarrte. Er hätte sie nicht unbedingt als hübsch bezeichnet, aber sie war auf häusliche, etwas altmodische Weise attraktiv. Greg hatte schon weitaus Schlimmere gehabt. Seine Gedanken schweiften in lüsterne, sogar gewalttätige Vorstellungen ab.
    Hör auf. Das war dein altes Ich. Das bist du nicht mehr. Das ist nicht Greg.
    Er grub nicht gerne alte Erinnerungen aus. Sie machten ihn schwach.
    Er durfte nicht unter dem Verlangen einknicken, wieder in sein altes Leben zurückzukehren. Es war zu gefährlich. Er wollte nicht wieder zurück, denn er war mit seinem Leben zufrieden, so, wie es war. Cynthia brachte ihm sein Getränk. Er nahm einen verzweifelten Schluck. Er sehnte sich nach einem Bier, aber er hatte dem Alkohol abgeschworen - er ließ ihn nur wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen.
    Er war nicht stolz auf das, was er getan hatte und wünschte sich, er könnte alles rückgängig machen.
    Alles, was er tun konnte, war, für seine Sünden zu bezahlen und um Vergebung zu beten. Er würde nie wieder in diese Zeit zurückkehren. Sie lag hinter ihm, in einer anderen Welt, und er war fest entschlossen, sie dort zu lassen, wo sie hingehörte.
    Er trank noch einen großes Schluck des fruchtigen Getränks und fühlte sich schon bald viel entspannter. Wieder blickte er zu der Mutter hinüber. Dieses Mal gingen
    ihm keine unheilvollen Gedanken durch den Kopf; nur, dass sie wie ein netter Mensch und eine gute Mutter wirkte.
    Er nickte.
    Er befand sich noch immer auf dem Weg der Genesung.
    Morgen noch eine letzte Station, dann kann mein Heilungsprozess wirklich beginnen.
    Er hoffte, dass es so kommen würde, und als Cynthia ihm sein Essen brachte, sah er zu ihr hoch und lächelte sie an.
    Der Fisch war zäh, die Pommes frites lauwarm und die Remouladensoße zu wässrig, aber für Gregs Geschmack war es trotzdem ein verdammt leckeres Essen gewesen. Als er fertig war, lehnte er sich zurück, machte seinen Gürtel um zwei Löcher weiter und rülpste zufrieden.
    Das Essen war genau das Richtige gewesen.
    Das Restaurant leerte sich allmählich. Die Mutter und das Kind waren vor zehn Minuten gegangen, und inzwischen war es dunkel draußen. Trotz der Klimaanlage herrschte im Restaurant noch immer eine hohe Luftfeuchtigkeit - Greg konnte die Wärme jedes Mal spüren, wenn jemand kam oder ging. Sobald sich das Essen ein bisschen gesetzt hatte, würde er auch aufbrechen und sich ein Motel suchen müssen. Holbrook war nur eine kleine Stadt, aber er wusste, dass er dort eine anständige, erschwingliche Unterkunft finden würde.
    Er mochte die Freiheit, die mit Selbstgenügsamkeit einherging. Er hatte sich viel zu lange auf Almosen und Diebstähle verlassen und sich für Geld verkauft (ihm drehte sich noch immer der Magen um, wenn er daran dachte, was er alles getan hatte). Seit er im Supermarkt Regale füllte, verdiente er genügend Geld, dass er sich eine kleine, aber ansehnliche Wohnung mieten und sich eine uralte Karre leisten konnte, mit der er sich auf diese entscheidende Reise begeben hatte.
    Cynthia kam zu ihm, um den Tisch abzuräumen. Greg erschrak, als die Teller und das Besteck zu Boden knallten und die knapp vierzig Kilogramm schwere Cynthia ihnen folgte.
    Er sprang vom Tisch auf und kniete sich neben Cynthia, die, sofern das überhaupt möglich war, jetzt noch blasser aussah. Zu
    ihrem Glück war Greg so hungrig gewesen, dass er die Teller praktisch sauber geleckt hatte, ansonsten wäre sie zu allem Überfluss auch noch voller Reste und Remouladensoße gewesen »Sind Sie verletzt?« »Mit geht's gut«, antwortete Cynthia. Greg nahm sie bei der Hand und half ihr auf. Es sah nicht aus, als sei sie verletzt - am nächsten Morgen würden ihr sämtliche Knochen wehtun, aber sie hatte keinen ernsthaften Schaden davongetragen.
    »Es geht mir gut. Wirklich«, sagte Cynthia und strich ihre Uniform glatt. Sie blickte zu Greg auf.

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