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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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Rollos fuhren nach oben. Eine Schiebetür wurde geöffnet und der nüchterne Konferenzraum verwandelte sich im Handumdrehen in einen Bankettsaal. Nebenan stand ein Frühstücksbüffet bereit, sogar Champagner perlte in Gläsern. Wolf nahm mich beiseite.
    »Ich weiß, du findest das vielleicht übertrieben. Aber die Herren sitzen immerhin seit drei Stunden zusammen.«
    »Und warum das alles - etwa wegen dem Bus?«
    Jetzt war es an ihm, ratlos aus seiner gestärkten Wäsche zu schauen, erst auf mich, dann nach rechts und links, als wäre ich ihm peinlich. Oder war es doch nur mein falscher Dativ?
    »Wegen des Busses. Natürlich! Was dachtest du denn? Die Amerikaner machen uns jetzt schon die Hölle heiß. Dabei glauben sie noch an einen Unfall. Nicht auszudenken, wenn die von einer Hand voll Neonazis Wind bekommen, oder die Presse ...«
    »Wegen einer Hand voll Neonazis habt ihr mich immerhin zur Polizeidirektorin gemacht.«
    »Du weißt genau, was ich meine!«
    Er schob sich ein halbes Lachsbrötchen in den Mund, während die ersten Beamten unauffällig aus dem Raum schlichen. Andere hatten genug Zeit, sich mit einem Diener beim Innenminister zu verabschieden. Auch Wolf schüttelte mit vollem Mund Hände. Als wir noch einmal kurz allein waren, wurde er fast vertraulich:
    »Und sonst, wie fühlt sich das an, so als Staatsdienerin?«
    »Weiß noch nicht genau. Wie war es denn damals bei dir?«
    Ich sah zu ihm auf, wie immer. Und wie immer wich er mir nach Kräften aus. Seine Blicke flatterten durch den Raum, als fühlte er sich nicht wohl mit mir allein. Oder bei Gegenfragen. Immerhin schien er darüber nachzudenken.
    Seine Karriere hatte mit zwei saftigen Ohrfeigen begonnen, die er Anfang der 70er Jahre als junger Abgeordneter zwei ehemaligen SS-Männern im Bundestag verabreicht hatte. In der Öffentlichkeit war das zwar kurz nach seiner Ernennung zum Staatsekretär noch mal Thema gewesen, aber heute waren selbst konservativen Blättern seine Verurteilungen wegen Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte höchstens noch einen süffisanten Nebensatz wert. Das Land hatte sich an einen vorbestraften Schläger im Auswärtigen Amt genauso schnell gewöhnt wie er sich selbst an den Umgang mit zweifelhaften Geheimdiensten und Kampfeinsätze der Bundeswehr. Er musste dafür seine alten Überzeugungen als Irrtum zu den Akten gelegt haben, zwischen J wie Jugendsünden und T wie Träumerei. Irgendwo dazwischen lag auch ich - und schnitt trotzdem immer noch alle Artikel über ihn aus.
    Knapp fünf Jahre war es her. Er würde es eine Affäre nennen. Aber mir hätte das nie gereicht. Seitdem begegneten wir uns eher steif am Rand von Ausschusssitzungen. Sogar Beerdigungen von Parteifreunden hatte ich schätzen gelernt, weil wir uns dann ein paar unverdächtige Sekunden lang in den Armen liegen konnten. Alles andere regelten die so genannten Umstände: Er hatte seine Familie, ich war allein; und innerhalb der Partei gab es auch selten Anlass zu kuscheln. Noch vor wenigen Monaten hatte ich ihn auf einem kleinen Parteitag als Wohlstands-Realo beschimpft. Nicht einmal das trug er mir nach - dafür inzwischen fast ausschließlich Dreiteiler mit Weste, die ihm nicht besonders standen. Er war zu groß dafür und zu dünn. Vor allem aber war er nicht mehr der alte Wolf - so wie ich nicht mehr die alte Evelyn war. Mit der SoRex hatte er mich trotzdem noch einmal rumgekriegt.
    »Nicht du wechselst die Seiten - die Seiten haben gewechselt.« Mit diesem Satz hatte er letztlich meine Zweifel zerstreut und so getan, als ginge es bei diesem Job lediglich um den Buchstaben B, der irgendwann fällig wird, wenn man die ganze Zeit A schreit. Wahrscheinlich war ich damit auf den gleichen Trick hereingefallen, mit dem sich Politiker immer treu blieben. Unideologisch nannten sie das und lockten Leute wie mich gern in die gleiche Falle. Aus Spaß? Zu ihrer eigenen Rechtfertigung? Dachte Wolf überhaupt noch über solche Dinge nach?
    »Wahrscheinlich weißt du es noch nicht«, sagte er, »aber deine Leute haben inzwischen 25 Patronenhülsen gefunden, fast ein ganzes Magazin. Wir werden den Amis noch heute die Wahrheit beichten müssen. Wenn ihr bis dahin keine Täter präsentieren könnt, stehe ich da wie ein Depp!«
    »Wie kommst du denn darauf, dass es mehrere Täter sind?«
    »Der oder die - meinetwegen auch Täterinnen. Egal. Und wenn es nichts mit deinen Neonazis zu tun hat - umso besser!«
    Er machte keinen Hehl, aber auch kein

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