Die Nacht am See
jemanden, der die Sache übernimmt, dann bist du frei, um ihn dir zu schnappen.”
„Nein, ich will ihn mir nicht schnappen. Ich will so weit wie möglich weg von ihm. Ich will ihn nicht wieder sehen.”
„Warum zum Teufel nicht?”
„Weil…” Was sollte sie darauf antworten? Aus persönlichen Gründen nicht? Es wäre viel zu kompliziert, das zu erklären und würde wahrscheinlich lächerlich klingen. „Ich will mich im Moment einfach nicht auf eine Beziehung einlassen.”
„Ich frage noch einmal. Warum nicht?”
Warum bestand Tess immer darauf, als ihr Gewissen zu agieren? „Weil ich beschäftigt bin.
Ich habe keine Zeit für eine Beziehung.”
„Das ist Quatsch, und das weißt du auch. Du hast Angst, dich mit jemandem einzulassen, weil du furchtest, er könnte wie Tom oder dein Vater sein.”
So viel zum Thema ‚komplizierte persönliche Gründe’. Tess hatte, wie es ihre Art war, die Sache mit einem Satz auf den Punkt gebracht.
„Es ist nicht nur das. Donovan ist nicht mein Typ. Außerdem will er sich im Moment nicht binden, das hat er gestern beim Abendessen gesagt, und soweit ich weiß, hatte er auch noch nie eine längere ernsthafte Beziehung. Warum sollte ich mich mit solch einem Mann einlassen, wenn die Chance, dass er mir das Herz bricht, bei hundert Prozent liegt?”
„Hast du ihn gefragt, warum?”
„Warum was?”
„Warum er nie eine ernsthaft Beziehung hatte. Vielleicht hat er sich auch einmal die Finger verbrannt.”
„Nein, das habe ich nicht gefragt.”
„Bist du nicht neugierig?”
Doch, das war sie. Sie war auf eine Menge Dinge neugierig, die Donovan betrafen. „Ich möchte eigentlich nicht fragen, denn das würde nur noch mehr Öl ins Feuer gießen. Ich will ihm nicht noch näher kommen. Ich möchte aus dieser Sache heraus, bevor ich in seinem Bett lande.”
„Und was wäre daran so schlimm? Du bist erwachsen, Jocelyn. Du hast ab und zu ein paar sündige Freuden verdient.”
Jocelyn setzte sich. „Deutest du das an, was ich vermute?”
„Ich deute gar nichts an. Ich sage es laut und deutlich. Soll ich noch ein Megafon holen?
Wenn du dich zu ihm hingezogen fühlst und er sich zu dir, warum nutzt du dann nicht die Gelegenheit und hast ein bisschen Spaß? Es würde dir nichts schaden, wenn du deinen Beruf mal für eine Nacht vergessen könntest. Vor allem, wenn wir für ihn einen anderen Bodyguard finden. Dann gäbe es nicht einmal mehr ein moralisches Problem.”
„Willst du mir sagen, ich soll einfach nur Gelegenheitssex mit ihm haben? Das ist nicht mein Ding.”
„Vielleicht würde es ja nicht dabei bleiben.”
Jocelyn fuhr sich durchs Haar. „Ich kann nicht, Tess. Ich habe Angst.”
„Hör auf! Du bist die mutigste Frau, die ich kenne. Denk doch einmal daran, was für einen Job du hast. Du kannst es mit den Besten deiner Branche aufnehmen.”
„Das ist etwas anderes. Das ist mein Beruf.”
„Damit ich dich richtig verstehe: Du bist furchtlos im Berufsleben, aber ängstlich wie ein Hase im Privatleben.”
Verflixt, musste Tess immer so direkt sein? „Da magst du Recht haben”, gab Jocelyn zu.
„Also, was soll ich tun?” fragte Tess.
Jocelyn überlegte einen Augenblick, bevor sie tief seufzte. „Versuch, einen neuen Bodyguard für Dr. Knight zu finden, und schau in der Warteliste nach einem neuen Job für mich. Wenn möglich etwas, was außerhalb der Stadt ist.”
„Du willst meinen Rat also nicht beherzigen.” Tess versuchte nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen.
Jocelyn stand auf und spähte durch eins der Fenster in der Schwingtür zum OP. Doch sie sah lediglich ihr eigenes Spiegelbild, ein Anblick, den sie im Moment wirklich nicht ertragen konnte.
„Tut mir Leid, Tess. Ich bin nicht daran interessiert, mein Herz aufe Spiel zu setzen. Ich komme ins Büro, sobald du Ersatz für mich gefunden hast. Je eher, desto besser.”
Jocelyn und Donovan waren auf dem Weg nach Hause, als Donovan in eine Seitenstraße fuhr und anhielt. Er schaltete den Motor aus, legte einen Arm über das Lenkrad und drehte sich zu Jocelyn um. „Wir müssen reden.”
Ihr Herz begann heftig zu klopfen, während sie aus den Fenstern schaute, um sich zu vergewissern, dass ihnen kein Auto gefolgt war. „Es gibt nichts zu bereden, Donovan. Meine Assistentin hat den ganzen Tag daran gearbeitet, einen Ersatz für mich zu finden.”
„Ohne Erfolg?”
„Bisher leider ja”, antwortete sie und blickte weiter nach draußen. „Der Einzige, der im Moment frei ist,
Weitere Kostenlose Bücher