Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
deprimierend.«
»Da werden ein paar tolle Luxusbauten hochgezogen«, entgegnet Ben.
Mr. Edwards stützt einen Ellbogen auf den Tisch und zeigt mit der Hand
auf Ben. »Leiden wird eure Generation«, sagt er, sein
Zorn ist offensichtlich doch nicht vergessen. »Ihr werdet Jahrzehnte brauchen, um
euch aus diesem Schlamassel herauszuarbeiten. Monströse Verschuldung. Terroristen.
Eine bodenlose Außenpolitik.«
Am Tisch denkt man über die Zukunft nach, die in der Tat finster aussieht.
Mrs. Edwards macht ein entschlossenes Gesicht (man denkt an eine scharfe Zurechtweisung
später im stillen ehelichen Schlafzimmer). »Du machst den Kindern Angst, Mark«,
sagt sie. »Und du verdirbst uns allen ein rundum gelungenes Abendessen.«
Mr. Edwards betrachtet seine Frau über den Walnusstisch hinweg. »Warum
sollten unsere Kinder nicht wissen wollen, was die Zukunft bringt?«, fragt er freimütig.
»Im Übrigen sage ich nichts, was Ben und Jeff nicht schon wissen. Ich denke, Jeff
wüsste uns allen ein Lied davon zu singen.«
Oder auch zwei, vermutet man, obwohl er nicht geneigt scheint, es zu
tun.
»Spielen die Sox heute Abend?«, fragt Ben.
»Oho, wir befinden uns hier auf Sox-Territorium«, sagt Art mit gespieltem
Schrecken und grapscht im Scherz nach dem Arm seiner Frau. »Wer wirft?«
Mr. Edwards und Sydney stehen auf, um abzudecken, wie sie das jeden
Abend tun. Mr. Edwards sagt, Warten Sie einen Moment ,
und kommt mit einem großen schwarzen Müllsack aus der Küche zurück. Er hält ihn
auf und macht die Runde um den Tisch, und alle werfen die Reste ihrer Mahlzeit –
Schalen, Fleischreste, grüne Leber, roten Rogen – hinein und versuchen, sich die
Kleider nicht mit der Hummersoße zu bespritzen. Sydney sammelt die tiefen Zinnteller
mit den Emailbildern der roten Schalentiere (auch sie ein Fund auf dem Emporia)
ein und geht rückwärts durch die Schwingtür in die Küche. Jedes Mal, wenn sie wieder
ins Speisezimmer kommt, sitzen weniger Leute am Tisch. Zuerst geht Julie. Dann verschwinden
Ben und Jeff. Schließlich bleiben nur Mrs. Edwards und ihre Gäste.
Mr. Edwards und Sydney folgen in der Küche einem festen Ablauf, den
sie zur Perfektion gebracht haben. Mr. Edwards weicht das Silber in einer Keramikvase
mit großer Öffnung ein, die zu diesem Zweck immer auf der Arbeitsplatte steht. Er
spült jeden Teller ab und stellt ihn ins Spülbecken. Sydney fragt sich, ob er noch
immer an die Pappschachtel denkt, der er seine Stimme geben würde, um einen amtierenden
Präsidenten zu entthronen. Sydneys Aufgabe ist es, das Geschirr so ökonomisch wie
möglich in der Spülmaschine zu stapeln, damit nur einmal gespült werden muss. Sie
ist darin sehr gut.
Sie stellt die Gläser in einen mit Kunststoff verkleideten Drahtkorb,
klappt die Ablage herunter und stellt Teller obendrauf. Nicht das kleinste Teil
ließe sich noch in der Maschine unterbringen, als sie fertig ist. Sie dreht die
Knöpfe und schließt die Spülmaschinenklappe mit der Hüfte. Sie hört dem ruhigen
Rauschen des abfließenden Wassers zu. In den zwei Jahren seit Daniels Tod hat sie
sich das Gefühl der Befriedigung nach getaner Haushaltsarbeit erst wieder erwerben
müssen: etwa nach dem Abhaken der letzten Besorgung auf einer Einkaufsliste, der
Erledigung von zwei Aufgaben an einem Nachmittag, dem Laden der Spülmaschine als
Performance-Akt.
»Ich kümmere mich um das Tischtuch«, sagt sie, auf der Suche nach weiterer
Beschäftigung.
»Ich mache die Pasteten warm.«
Sydney sieht, dass Mr. Edwards Soßenspritzer auf dem blassgrünen Polohemd
hat, neben anderen Flecken, die nach früheren Wäschen zurückgeblieben sind. Sie
spürt, dass er wenig Lust hat, zu seinen Gästen auf die Veranda hinauszugehen, wo
Pastete und Kaffee gereicht werden. Vielleicht liegt ihm nichts an Art.
Sydney schrubbt das blaurote Wachstuch, solange es noch auf dem Tisch
liegt. Dann spült sie es und schrubbt es noch einmal. Als sie das Tischtuch, das
nur bei Hummeressen benutzt wird, am frühen Abend aus der Schublade geholt hat,
kam ihr ein unangenehmer Geruch nach verdorbenem Essen entgegen. Altem Fisch. Ranziger
Butter.
Sydney ist bei ihrem zweiten Spülgang, als Ben ins Zimmer kommt. Er nimmt
das Geschirrtuch, das über ihrem linken Arm hängt, und trocknet ab.
»Danke Ihnen«, sagt sie, als ihre Finger sich beim ersten Falten des
schweren Wachstuchs, das zwischen ihnen hängt, begegnen.
»Nein. Danke Ihnen «, entgegnet Ben. Er nimmt
ihr das einmal gefaltete Tuch aus
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