Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
von J. F. Riley, Zahnarzt. Kodak , Molson , Kent im Fenster des
Süßwarenladens an der Ecke. Es ist eine enge Wohnung in einem Reihenhaus, die geschnitten
ist wie alle anderen in der Straße, ach was, in der ganzen Stadt. Zwei Fenster nach
vorn, zwei nach hinten mit Blick auf eine überdachte Terrasse. Sonne kommt nur morgens
ein paar Stunden durch die Vorderfenster. Wenn man sie verpasst, hat man Pech gehabt.
»Sie sehen vergnügt aus, findest du nicht?«, fragt ihre Mutter, die nie
vergnügt aussieht. Die Täschchen sind das Leben, das ihr durch die Finger rinnt.
»Richtig ausgelassen«, sagt Sydney.)
Sydney erfährt, dass Art in der Papierbranche tätig ist – Bögen,
Rollen von Papier – und Wendy, inzwischen im Ruhestand, früher Redakteurin bei einer
Zeitschrift war (oder Redaktionsassistentin oder vielleicht auch Assistentin eines
Assistenten, es wird nicht ganz klar). Die Tochter macht gerade ihren Abschluss
an der Universität von Vermont, während der Sohn vor Kurzem vom Williams College
abgegangen ist. Zweimal noch erwähnt Wendy Williams quasi en passant, so, wie andere
Harvard erwähnen. Söhne sind heute Abend die Tonangebenden, denkt Sydney, und fühlt
sofort mit dem jungen Mädchen an der Universität von Vermont, die natürlich genauso
gut der Liebling ihres Vaters sein kann.
Ein Blütenblatt fällt aus einem Strauß, den Julie und ihr Vater an diesem
Tag gepflückt haben. Sydney nimmt es und reibt den Samt zwischen Zeigefinger und
Daumen. Ein Duft steigt auf. Als sie aufblickt, bemerkt sie, dass Ben und Jeff ihr
zusehen.
»Wie heißen die hier?«, fragt sie Mr. Edwards.
»Kohlrosen«, antwortet er. »Das da sind Damaszener. Der Stolz jedes Gärtners
im neunzehnten Jahrhundert. Sie halten Trockenheit aus, deshalb sind sie für die
Küste gut geeignet.«
»Das hier ist meine Lieblingsrose.« Julie berührt eine schwere beigefarbene
Blüte.
Sydney wartet, hofft mehr von dem jungen Mädchen zu hören, das bei Tisch
meistens nur ein oder zwei Sätze spricht. Aber Julie beugt sich gleich wieder über
ihren Teller.
»Was ist eigentlich aus der Frau geworden, der Witwe?«, erkundigt sich
nach einem langen Schweigen Sydney, die eine Affinität zu Witwen und Piloten hat,
ob Letztere sich schuldig gemacht haben oder nicht.
Sie spürt, wie Mrs. Edwards neben ihr erstarrt. Vielleicht hat man den
Gästen nicht verraten, dass sie in einem Haus nächtigen, das eine gewisse traurige
Berühmtheit genießt.
»Sie und ihre Tochter sind zu ihrer Mutter hier am Ort gezogen«, antwortet
Jeff. »Danach ist die Witwe, glaube ich, nach London gegangen.«
Jeff bietet diese Tatsachen höflich, aber knapp dar, wie um das Ende
des Gesprächs anzuzeigen. Die Söhne, erkennt Sydney, fügen sich, wenn nötig, der
Stimmung ihrer Mutter. Vielleicht haben sie in der Ferne Donnergrollen gehört und
fürchten ein Gewitter.
Julies Gesicht ist gerötet von Hitze und Vergnügen, sie ist offenbar
überhaupt nicht empfänglich für die Laune ihrer Mutter. Ihr dickes blondes Haar
ist nachlässig zu einem losen Knoten geschlungen, neben dem unglücklicherweise das
steifgesprühte Haar ihrer Mutter in seiner Bananenspange umso mehr auffällt. Auch
Julies Wimpern sind blond, lang und schön geformt. Julie scheint sich um ihr Gewicht
keine Gedanken zu machen und hat als Folge davon etwas anziehend Üppiges. Die Brüder
müssen achtgeben, denkt Sydney. Irgendjemand muss achtgeben.
»Morgen kommt Victoria«, verkündet Mrs. Edwards, und es ist offenkundig,
dass die Gäste Bescheid wissen, denn beide schauen zu Jeff hinüber, der ein Rolling
Rock trinkt.
»Reizendes Mädchen«, bemerkt Mr. Edwards, seine politische Bissigkeit,
die ein Dutzend Kommentare zurückliegt, ist anscheinend vergessen.
Ben sieht Jeff demonstrativ an. »Das kann man wohl sagen«, bestätigt
er.
Bis auf ein Erröten verrät Jeff durch nichts, dass er auch nur ein Wort
gehört hat. Das Erröten kann alles Mögliche heißen. Verlegenheit darüber, in den
Mittelpunkt gerückt worden zu sein? Reaktion darauf, dass hier über das gesprochen
wird, was ihm am teuersten ist? Ein Hinweis auf frühere Frotzeleien?
»Ich bin auf der Suche nach einer neuen Eigentumswohnung«, sagt Ben,
abrupt das Thema wechselnd.
»Du bist der Mann, an den man sich wenden muss«, versetzt Jeff.
»Ich habe das South End satt. Ich möchte es gern mal am Wasser probieren.«
»Es heißt, man soll nie das ganze Jahr über am Wasser leben«, sagt Mr. Edwards.
»Verdammt
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