Die Nacht am Strand: Roman (German Edition)
lang
hören Sydney und Ben dem oberflächlichen Geplänkel zu, nichts davon wichtig, beide
mit dem Gefühl, dass das wahre Leben anderswo ist. Gleichzeitig heben sie ihre Tassen
und trinken, Sydney ist das peinlich.
Als rundherum einmal schallend gelacht wird, fragt Sydney Ben, ob er
mit Jeff gesprochen habe.
»Wir haben geredet.«
»Und was?«
»Einer hat den anderen Arschloch genannt, und dann haben wir uns die
Hand gegeben.«
»Und das war’s?«
»Das war’s.«
In ihrem Zimmer wechselt Sydney die Kleidung, zieht Leinenshorts und
eine ärmellose weiße Bluse an. Sie legt sich einen dunkelblauen Pulli um die Schultern
und knotet die Ärmel vorn zusammen. Vom Strand ist schon Gelächter zu hören, das
Feuer zu sehen. Während sie das blaue Sommerkleid in einen der beiden Schränke hängt,
denkt sie wieder an die kanadischen Nonnen. Wurden die Schränke damals für sie gebaut?
So schmal, weil sie so wenig anzuziehen hatten?
Wie versprochen werfen Jeff, Ivers, Peter und Frank Sahir in den Sand
und ziehen ihm die Schuhe aus. Er protestiert, ohne sich wehren zu können. Julie
röstet Marshmallow-Schoko-Kekse und reicht sie einen nach dem anderen herum, klebriges
Zeug, das mit einer Gier verschlungen wird, als hätten sie nicht alle erst vor einer
Stunde eine Riesenmahlzeit gegessen. Die meisten haben sich umgezogen und sind jetzt
in Shorts und T-Shirts, im Unterschied zu den älteren Herrschaften, die immer noch
auf der Veranda zu hören sind, auch wenn sie jetzt weniger sind und ihr Gelächter
dünner geworden ist. Sydney erwartet beinahe, Anna Edwards in Hosenrock und Trägerhemdchen
die Treppe herunterkommen zu sehen, nicht bereit, ein Unternehmen auszulassen, bei
dem ihre beiden Söhne mit von der Partie sind.
Funken steigen in die Luft. Gelegentlich kracht das Holz. Sydney ist
vorn heiß und im Rücken kühl. Ben hat sich, wie gewohnt, die einzige Liege geschnappt
und es sich darauf bequem gemacht, die Arme unter den Kopf geschoben, ein Knie hochgezogen.
Jeff und Sydney sitzen zusammen auf einem Holzklotz. Von Zeit zu Zeit treten Freunde
aus dem Dämmerschein rund um das Feuer und kommen vorbei, um dem Paar Glück zu wünschen.
Die Nachricht von der bevorstehenden Hochzeit hat sich am Strand herumgesprochen.
Andere junge Frauen und Männer, auch sie regelmäßige Sommergäste, gesellen sich
mit Bierdosen in den Händen dazu, rufen Kindheitserinnerungen wach, die jetzt mit
viel Geschrei und Gelächter erzählt werden. Sydney kann sich damit begnügen, diese
Fremden zu begrüßen, sonst braucht sie sich nicht weiter zu beteiligen, da sie diese
köstlichen Momente, in denen da geschwelgt wird, nicht miterlebt hat. Stattdessen
isst sie geröstete Marshmallow-Kekse und sieht zu, wie die Feuerfunken Botschaften
in die Dunkelheit schreiben, die sie nicht lesen kann.
Sydney vergräbt ihre Füße im kühlen Sand. Nicht weit von ihr sitzen mit
gekreuzten Beinen Julie und Hélène. Eine Weile zuvor hat Julie Hélène mit einer
ihrer klebrigen Marshmallow-Kreationen gefüttert, und Hélène hat gelacht wie ein
Bräutigam bei der Hochzeit. Näher, überlegt sich Sydney, werden sie einer eigenen
Hochzeitsfeier vielleicht nie kommen.
Sydney spürt die Berührung eines Fingers an ihrer Schulter.
»Ich geh rauf«, sagt Jeff.
»Jetzt schon?«, fragt Sydney erstaunt. »So früh?«
»Ivers kümmert sich um das Feuer«, sagt er.
Als Sydney aufsteht, sieht Ben weg, als hätte draußen auf See etwas seine
ganze Aufmerksamkeit erregt.
»Gute Nacht, alle miteinander«, ruft Sydney und winkt mit beiden Händen.
Sie kann nicht gut unten am Strand bleiben, wenn ihr Verlobter schlafen gehen möchte.
»Danke, dass ihr gekommen seid. Der Bräutigam braucht seinen Schönheitsschlaf.«
Sydney lacht über die Buhrufe.
»Vergiss nicht, dass du am Abend vor der Hochzeit nicht mit Jeff schlafen
darfst«, ruft Ivers. »Das würde ewiges Pech bedeuten. Es steht übrigens zehn zu
zwei.«
Sydney stößt triumphierend die Faust in die Höhe. Sie küsst Julie und
Hélène. »Ihr kommt morgen um zehn?«
»Ist das zu früh?«, fragt Julie.
»Nein, das ist perfekt«, sagt Sydney.
Die Veranda ist verlassen, die älteren Herrschaften haben sich zu Bett
begeben. Schweigend gehen sie und Jeff durchs Haus und dann nach oben. Im Zimmer
setzt Sydney sich hin und wischt sich den Sand von den Füßen.
»Ich schlafe hier, wenn es dir recht ist«, sagt Jeff.
»Das habe ich mir schon gedacht«, antwortet Sydney und kann nicht ganz
vergessen, was
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