Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Uebergaenge

Die Nacht der Uebergaenge

Titel: Die Nacht der Uebergaenge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
Vom Netzwerk:
war von klein auf daran
gewöhnt, sich mit den Auswirkungen von Unfällen oder gewaltsamen Todesfällen
auseinander zu setzen. Manchmal kamen auch friedlich eingeschlafene Geister zu
ihr, wenn sie noch etwas auf Erden zu erledigen hatten, aber die meisten waren
wirklich verirrte Seelen, die Gerechtigkeit suchten. Sie hatte in einem Alter
schon sehr übel zugerichtete Tote gesehen, in dem andere Mädchen noch mit
Puppen spielten.
Allerdings ging es hier darum, gegen mächtige Gegner anzugehen wie der Albura,
der sie angegriffen hatte. Ihr fehlten einfach die Erfahrung und das praktische
Wissen. Wenn es um spirituelle Abwehr ging, dann wusste sie Bescheid, aber das
allein reichte nicht, um Teil der Quadruga zu werden. Ihre medialen Fähigkeiten
nutzten in einem Kampf gar nichts. Warum hatte man sie nur ausgewählt?
    Nur ein
Schwert halten zu können allein, würde niemals ausreichen, um ihre Aufgabe
wirklich erfüllen zu können. Es gab in der Septentrio keine passiven
Mitglieder. Sie musste sich ja nur die Warrior ansehen, die hier in der
Fortress lebten. Jeder war für sich allein schon ein ernstzunehmender Gegner.
Nico seufzte schwer und schüttelte den Kopf, als wollte sie damit die Zweifel
vertreiben, die sich in ihr breit machten und die Damon viel stärker als sie
haben würde. An seiner Stelle würde sie sich auch nicht für voll nehmen. Sie
nahm erneut die meditative Position ein und versuchte, ein bisschen Hoffnung in
ihrem Inneren zu finden, doch das war nicht so leicht, wenn man keine Grundlage
dafür zu finden vermochte.
     
    „Hey, wir
sind nicht zum Schlafen hier!“
Damon klatschte auffordernd hart in die Hände, sodass Nico aus ihrer
meditativen Haltung aufgeschreckt wurde, in der sie auf dem Boden verharrte.
Sie hatte ihn nicht kommen hören, obwohl er schnaubte wie ein wild gewordenes
Rhinozeros und sich mit seinem restlichen Verhalten ebenfalls so verhielt. Er
konnte es kaum erwarten, die Lehrstunde hinter sich zu bringen, von der er
nicht einmal wusste, wie genau er diese gestalten sollte.
    „Wer
feiern kann, kann am nächsten Tag auch arbeiten. In unserem Fall: Trainieren!“
In Aubreys Gesellschaft hatte die Nacht sicher kein Ende gefunden. Damons Miene
wurde noch finsterer, als er sich zum wiederholten Mal an diesem Tag vor Augen
führte, wie Nico in den Armen seines Vaters tanzte. Das tat er ganz sicher
nicht zum Spaß. Die Bilder verfolgten ihn seit gestern Nacht und nichts konnte
den Gedanken daran vertreiben. Er brauchte unbedingt ein Ventil für die daraus
resultierende schlechte Laune. Dass es schon wieder Nico traf, war nicht fair,
aber Aubrey würde sie hinterher gewiss trösten.
    „Komm
schon, aufstehen!“ Damon machte sich nicht die Mühe, ihr eine helfende Hand zu
reichen. Ein Krieger musste das jederzeit allein können. Bei einer Dame machte
man natürlich Ausnahmen, aber es fiel ihm leichter, mit ihr umzugehen, wenn er
die unpersönliche Distanz aufrecht erhielt, die ein strenger Lehrer im Umgang
mit seinen Schülern an den Tag legte. Oh ja, er würde ein sehr strenger
Lehrmeister sein. Wenn ihm denn erst einmal einfallen würde, womit sie
anfangen könnten.
     
    Damon
versetzte Nico einen ordentlichen Schrecken, als er sie im Kommandoton anfuhr.
Sie war so in Gedanken gewesen, dass sein Erscheinen sie völlig aus dem Konzept
brachte, obwohl sie ja mit ihm gerechnet hatte. Seine Belehrungen konnte er
sich allerdings sparen. Sie war schließlich hier diejenige, die pünktlich
erschienen war. Das regte sie schon ein kleines Bisschen auf, was sie
eigentlich hatte vermeiden wollen.
Nico erhob sich mühelos vom Boden, Damon tat ja so, als wäre sie eine unfähige
Invalidin. Sie erwartete sicher nicht, dass er sie wie jemand behandelte, der
ihm etwas bedeutete. Und verlogene Anwandlungen von Höflichkeit konnte er sich
getrost auch sparen. Sie legte keinen Wert auf Falschheit oder falsche
Zurückhaltung, wenn er sie nicht mochte, dann hätte er das ruhig von Anfang an
klar stellen können. Sie kam mit Ablehnung wunderbar zurecht, wenn man ihr das
direkt ins Gesicht sagte, aber dazu musste man auch mutig genug sein.
     
    War ihm
eigentlich jemals aufgefallen, wie klein sie war? Ohne Absätze und
Flattergewänder richtig winzig. Ein harmloser Stoß oder ein kleiner Schubs von
ihm und sie wurde an die hinter ihr liegende Wand geschleudert. Damon sah
plötzlich nachdenklich geworden auf sie herunter und zweifelte erneut daran, ob
er den vom Orakel erteilten Auftrag wirklich ausführen

Weitere Kostenlose Bücher