Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
Bewegung. Eine Jacke lag über meinem nackten Oberkörper; der Geruch war vertraut, aber unmöglich. Träumte ich? Oder halluzinierte? Ich merkte, wie Hände sich unter mich schoben, um mich hochzuheben; die Berührung war so vertraut wie der Geruch der Jacke.
    »Elena?«
    Ein Gesicht beugte sich über mich. Jeremy. Dunkles Haar fiel ihm in die Stirn und wurde mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Seite gewischt. Nicht möglich. Nicht hier. Ich schloss die Augen.
    »Elena?« Schärfer jetzt, besorgt.
    Ich versuchte mich zu bewegen, aber es tat zu weh. Ich beschloss mich der Halluzination zu überlassen und hob ein Augenlid.
    »W…«, krächzte ich; was ich fragen wollte, war, wie er hierher gekommen war. »W…« Mehr als das brachte ich nicht heraus.
    »Versuch nicht zu reden«, sagte er. »Und versuch dich nicht zu bewegen. Ich trage dich zum Auto. Es steht dort drüben.«
    »C… – Cl… –«
    »Sie haben ihn, nicht wahr?« Seine Arme schlossen sich fester um mich.
    »Z… – zehn – Uhr«, brachte ich noch heraus, dann wurde alles wieder dunkel.
    Als ich diesmal wieder aufwachte, war es warm; künstliche Wärme blies mir ins Gesicht. Ich hörte das Summen eines Motors, spürte das Vibrieren und die kleinen Rucke, mit denen ein Auto sich über eine glatte Straße bewegt. Ich roch altes Leder und krümmte mich unter der Jacke, die jemand um mich gelegt hatte. Ich streckte die Beine, aber der Schmerz ließ mich wimmern und sie wieder einziehen.
    »Ist das zu heiß?« Nicks Stimme. Ich spürte, wie sein Arm über mich hinweggriff nach der Lüftungsanlage und das Gebläse von mir fortdrehte.
    »Ist sie wach?« Jeremy, irgendwo in der Nähe. Weiter vorn. Einer der Vordersitze.
    »Ich bin mir nicht sicher«, sagte Nick. »Ihre Augen sind zu. Aber du kannst jetzt die Heizung runterstellen, ihre Farbe ist wieder normal.«
    Das Klicken eines Schalters. Das harte Geräusch des Gebläses wurde zu einem leisen Summen. Ich öffnete ein Auge und dann das zweite. Ich saß halb liegend auf der Rückbank des Explorer; mein Kopf lehnte an der Fensterscheibe, meine Beine waren hochgezogen und lagen auf dem Sitz. Landschaft und Autos schossen draußen vorbei. Antonio war vor mir, auf dem Fahrersitz. Im Rückspiegel sah ich seine Augen rasch zu mir herüberflackern.
    »Sie ist wach«, sagte er.
    Ein Gurt wurde klickend geöffnet. Das Schleifen von Denim auf den Bezügen. Nick beugte sich über mich.
    »Ist das warm genug?«, fragte er. »Möchtest du irgendwas haben?«
    »W… – Wi… –«
    »Rede nicht, Elena«, sagte Jeremy. »Und du hol die Wasserflasche aus dem Kühlfach, Nick. Sie ist ziemlich ausgetrocknet. Lass sie trinken, aber nicht zu viel.«
    Nick wühlte im Kühlfach herum. Dann berührte ein kalter Plastiktrinkhalm meine Lippen. Ich wich zurück und schüttelte den Kopf; die kleine Bewegung jagte Blitze durch meinen Schädel.
    »Sp… –«, krächzte ich. »Sp…ät. Wie sp…ät.«
    »Wie spät?« Nick beugte sich über mich. »Wie spät es ist?«
    Ich nickte; dieses Mal war es ein Schauer brennender Funken, der durch mich hindurchfuhr. Nick sah etwas verwirrt aus, aber er sah auf die Uhr.
    »Zwanzig nach elf … beinahe halb.«
    »Nein!« Ich setzte mich jäh auf. »Nein!«
    Nick fuhr zurück. Der Explorer scherte aus, und Antonio fluchte, als er das Lenkrad herumriss. Ich versuchte mich unter Jeremys Jacke hervorzukämpfen.
    »Elena.« Jeremys Stimme vom Vordersitz, fest und ruhig. »Es ist schon okay, Elena. Nick, versuch sie zu beruhigen, bevor dein Vater einen Herzinfarkt kriegt.«
    »Ich bin bloß erschrocken«, sagte Antonio. »Nicky, sorg dafür –«
    Den Rest hörte ich nicht. Ich hatte mich aus der Jacke herausgewunden und sie zur Seite geschleudert; dann begann ich am Verschluss meines Sicherheitsgurts zu hantieren. Jede Bewegung jagte Schmerzen durch mich hindurch. Meine Hände waren aufgerissen und voller Blutergüsse. Es kümmerte mich nicht. Ich war spät dran. Ich musste gehen. Ich musste dort hin. Jetzt.
    Nick riss mir den Gurtverschluss aus der Hand, aber ich hatte ihn schon geöffnet und kämpfte mich unter dem Gurt hervor. Nick packte mich an den Schultern.
    »Nein!«, schrie ich und schüttelte seine Hände ab.
    Er packte mich wieder, diesmal fester. Ich wehrte mich; ich entblößte die Zähne und kratzte ihn, wo immer ich ihn erwischte.
    »Halt das Auto an«, schrie ich.
    Der Explorer wurde langsamer, aber das war alles – als versuchte Antonio zu entscheiden, was er tun

Weitere Kostenlose Bücher