Die Nacht des einsamen Träumers.
ihn ins Hotel bringen. »Jetzt reicht's aber langsam«, brummte der andere.
Jetzt überlegen wir mal, dachte Montalbano, als er in Unterhosen, Unterhemd und Socken auf dem Bett lag. Ein mieser Typ, der den gleichen Nachnamen hat wie ich, wird für den Mord an einer Frau gedungen. Der Typ kennt die Adresse des Opfers nicht: Sie soll ihm in einer bestimmten Osteria telefonisch aus New York mitgeteilt werden. Mein Namensvetter, der sich verspätet haben muss, eilt zu seiner telefonischen Verabredung in Peppes Trattoria, aber er wird unterwegs von einem Auto überfahren und stirbt kurz darauf. Aus einem eigentlich unglaublichen Zufall gehe ich, der ich Montalbano heiße wie er, in diese Osteria und nehme das Telefongespräch entgegen. Was dann passiert, wissen wir ja. Nach ein paar Stunden rufe ich in New York an, und diesmal gibt man mir eine falsche Adresse. Die erste war richtig gewesen, die zweite nicht. Warum? Überlegen wir mal. Während des ersten Telefongesprächs können die in New York gar nicht darauf kommen, dass es sich um eine Personenverwechslung handelt, Giovanni Montalbano ist gerade eben im Krankenhaus gestorben, und was sie mir sagen, ist richtig. Ein paar Stunden später rufe ich dort an, sage, dass alles gut gelaufen ist, und frage, wo ich mir das restliche Geld holen kann. Und sie geben mir absichtlich eine falsche Adresse. Bewusst tun sie etwas, was sich für sie als sehr gefährlich erweisen kann: Sie prellen den Killer, das heißt, sie sorgen dafür, dass er nicht an die zweite Hälfte des Geldes herankommt, und setzen sich damit seiner Reaktion aus. Mag sein, dass alles von Profis organisiert ist, aber wenn das Gerücht die Runde macht, dass die in New York nicht zahlen, wenn sie einen Job in Auftrag gegeben haben, fügt dieses Gerücht der Organisation sicher Schaden zu. Es wäre gewissermaßen geschäftlicher Selbstmord.
Es gibt nur eine Schlussfolgerung, und die ist simpel und banal. Während ich von den Carabinieri verhört wurde, hat jemand sie informiert, wie die Sache mit Signora Cosentino gelaufen ist. Dass nämlich der beauftragte Killer nie in der Villa angekommen ist und dass an seiner Stelle ein Vollidiot aufgetaucht ist, nämlich meine Wenigkeit. Als ich anrufe, bekomme ich eine kluge Antwort, sie stellen mich für ein paar Stunden ruhig, während sie in New York sicher die Spuren der Organisation verwischen.
Plötzlich versank alles in Dunkelheit. Nicht weil mit einem Mal die Lichter ausgegangen wären, sondern weil Montalbano die Augen zufielen und er einschlief, ohne es zu merken, eingelullt von der Müdigkeit und der Wärme der auf Hochtouren laufenden Heizung.
Das Telefon weckte ihn. Montalbano sah auf die Uhr: Er hatte drei Stunden geschlafen.
»Dottor Montalbano? Ein Capitano der Carabinieri wünscht Sie zu sprechen.«
»Stellen Sie ihn durch.«
»Dottor Montalbano? Hier ist Capitano De Maria. Wir haben uns vergangene Nacht kennen gelernt.«
Es schien ihm, als amüsierte sich der Capitano bei diesen
letzten Worten.
»Was gibt es?«, fragte er gereizt.
»Ich würde mich gern kurz mit Ihnen unterha lten.«
»Ich ziehe mich an und komme in die Kaserne.«
»Sie brauchen nicht in die Kaserne zu kommen. Ich bin hier bei Ihnen. Machen Sie sich in Ruhe fertig, ich erwarte Sie unten in der Bar.« Iih, das nervte vielleicht! Er ließ sich extra viel Zeit beim Waschen und Anziehen, dann ging er hinunter in die Bar.
Als der Capitano ihn sah, stand er auf. Sie gaben sich die Hand. Die Bar war menschenleer. Sie setzten sich an ein Tischchen in der Ecke. Der Capitano hatte ein Grinsen im Gesicht, das den Commissario störte.
»Ich muss Sie um Entschuldigung bitten«, fing De Maria an.
»Weswegen denn?«
»Seit Sie heute Nacht unsere Kaserne verließen, wurden Sie ununterbrochen von einem Gefreiten beobachtet, der in Sachen Beschattung hervorragend ist. Denken Sie nur, Sie haben selbst...«
»...mit ihm gesprochen«, unterbrach Montalbano ihn. »Er war als Nachtwächter verkleidet, nicht wahr?«
Dem anderen verschlug es die Sprache. »Schon gut«, sagte der Commissario großherzig. »Was für einen Verdacht hatten Sie gegen mich?«
»Offen gesagt gar keinen. Aber ich sagte mir: Einer wie Montalbano macht keine halben Sachen. Wenn er durch Zufall in diese Geschichte hineingeraten ist, dann wird er ihr auf den Grund gehen wollen. Folgen wir ihm also, und sehen wir, wohin er uns führt.«
»Danke. Und Sie sind zu
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