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Die Nacht des schwarzen Zaubers

Die Nacht des schwarzen Zaubers

Titel: Die Nacht des schwarzen Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Trompete wieder unter seinen rechten Arm, sein zerfurchtes Gesicht, das wie vergilbtes Leder auf dem dünnen faltigen Hals wirkte, wurde noch runzeliger. Mit dem Daumen zeigte er auf Volker.
    »Ist das Ihr Sohn?«
    »Ja.«
    »Sehen Sie denn nicht, daß er Fieber hat, Sie Klotz!«
    »Er hat immer Fieber, Doktor.«
    »Was hat er? Sagen Sie das bitte noch einmal!«
    »Er hat Leukämie.«
    »Du dickes Ei! Und da kommen Sie ausgerechnet nach Aimée!«
    »Es ist sein Wunsch.«
    »Und das sagen Sie so dahin, als wenn man Prost ruft!«
    »Soll ich zwei Jahre lang nur heulen, Doktor!«
    »Wissen Sie überhaupt, auf was Sie sich da eingelassen haben?«
    »Ja. Ich bin mir über alles vollkommen im klaren.«
    »Dann ist's gut.« Dr. Rank trat zur Seite. Der massige Balolonga walzte heran, um Baumann feierlich auf Aimée zu begrüßen. »Kommen Sie heute abend zu mir. Ich habe Platz genug. Und wenn Sie beim Abendrot doch Heimweh bekommen, blase ich Ihnen mein geliebtes Weiß nicht, was soll es bedeuten. Diese Sonnenuntergänge sind fürchterlich schön. Die Sentimentalität erschlägt dich buchstäblich.«
    »Bonjour! Good by!« brüllte Balolonga und nahm seinen federgeschmückten Homburg ab. »Ich bin der Häuptling!«
    »Und damit ist's schon zu Ende. Mehr Englisch kann er nicht.« Dr. Rank lachte, und sein Gesicht wurde runzlig wie ein Bratapfel. »Aber er versteht, wenn Sie sagen: Ich freue mich …«
    Und Alexander Baumann schaute verstohlen hinüber zu seiner Frau, dann wanderte sein Blick weiter zu Claudia und Volker, die über und über mit Blüten behangen waren. Endlich sagte er schüchtern: »Ich freue mich …«

5
    Das Haus von Dr. Rank entsprach ganz dem Äußeren des Eigentümers. Es konnte gar nicht anders sein. Hätte man Baumann nicht vorher über den Sonderling unterrichtet, wäre die Verblüffung wohl weit über seine Kräfte gegangen. Es war ein zweigeteiltes Haus, dessen Teile ineinander übergingen. Der hintere Teil war eine in den Felsen hineingetriebene Höhle, der vordere Teil eine Art Veranda aus Holz, Palmenblättern, Brettern, Wellblech, Flechtmatten und rohbehauenen Steinen. Ein unbeschreibliches Durcheinander überwucherte wie Urwaldgewächs jene Gegenstände, die man mit viel Fantasie als Möbel bezeichnen konnte, die aber ihre Funktion schon lange aufgegeben hatten. Wo Dr. Rank saß oder schlief, wo er kochte oder sich überhaupt aufhielt, war bei diesem Chaos aus leeren Kartons, Kisten, Kleidungsstücken, medizinischen Geräten, halb ausgepackten Laboreinrichtungen, Netzen, Stricken, Holzstücken, getrockneten Palmblättern – ganz zu schweigen von dem sonstigen Strandgut – in der Tat ein Rätsel. Vielleicht legte sich der Doktor nachts einfach auf einen Papphaufen und deckte sich mit Palmblättern zu; sein Anzug jedenfalls sah ganz danach aus. Das einzige, was er zu pflegen schien, war die Fahnenstange vor diesem sonderbaren Haus. Sie war weißlackiert, und der Union Jack, der im Wind flatterte, sah so neu aus, als bekäme Rank jeden Monat eine neue Fahne im Abonnement geliefert.
    »Sie denken alle, ich sei verrückt«, sagte Dr. Rank mit entwaffnender Direktheit. »Sie auch, Alex Baumann! Wenn ich Ihren Blick analysiere, so lese ich heraus: Schnell weg von diesem alten Irren! Mag sein, daß ich außerhalb Ihrer Zivilisationsnorm lebe, aber ich fühle mich wohl, und wenn man so leben kann und darf, daß man sich wohl fühlt, können einen alle sonstigen Normen am Arsch lecken.« Nun wandte er sich an Marga und Claudia. Er machte eine leichte Verbeugung. »Pardon, die Damen. Bin aus der Übung, höflich zu sein.« Mit einer großzügigen Geste schwenkte er seine zerbeulte Trompete. »Fühlen Sie sich hier wie zu Hause!«
    Das war leicht gesagt. Hansen, Baumann und selbst Bob Skey zögerten erst, dann warfen sie kurzentschlossen alles, was auf den Möbeln lag, zur Seite und kramten aus dem Berg von Unrat tatsächlich ein paar Stühle und einen Tisch hervor. Das war auf der offenen Veranda; tiefer ins Haus einzudringen, das heißt, die Steinhöhle betreten zu wollen, erschien aussichtslos.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, ein total weggesoffener Kerl!« meinte Skey, als sie endlich unter dem Blätterdach saßen. Vor ihnen lag die weite Bucht und das Dorf mit den niedrigen Hütten, deren Holzwände bunt und fröhlich bemalt waren. Man sah am Strand die Fischerkähne und die Holzmole, wo jetzt Skeys Motorboot behaglich schaukelte. Eingeborene, die eine Menschenkette bildeten, luden die Sachen der

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