Die Nacht des schwarzen Zaubers
langen Haar verfing sich das Mondlicht wie ein silbernes Netz.
»Du schläfst bei ihr und vergißt mich«, sagte sie leise. »Warum muß ich töten, Herr?«
Baumann starrte ihr nach, wie sie wegging. Lautlos, schwebend, ihr nackter Körper löste sich zwischen den Palmen auf. Nur ein Hauch blieb zurück. Es war der süße Duft ihres in Blumenöl gebadeten Körpers. »Fort!« durchfuhr es Baumann. Es gibt gar keinen anderen Ausweg. Weg von dieser Insel, oder wir alle gehen hier zugrunde.
Zwei Tage später kam ein Regierungsboot von Mahé herüber, ankerte draußen vor dem Korallenriff im tiefen Wasser, setzte eine Jolle aus und brachte einen jungen Mann in der Uniform eines britischen Leutnants zur See an Land.
Wie immer, wenn ein unbekanntes Schiff sich nach Aimée verirrte oder unplanmäßig anlegte, versammelte sich auch jetzt das ganze Dorf in der sandigen Bucht und winkte mit Blumen, Fähnchen und bunten Bändern. Die Auslegerboote und Katamarane fuhren hinaus und umringten den Besucher. Dr. Rank, der zuerst von seiner Balustrade mit einem Fernglas den Neuankömmling begutachtete, blies einen Gruß, als er den Union Jack über dem Schiff wehen sah.
Es waren wirklich freundliche und glückliche Menschen auf dieser Insel. Auch die Familie Baumann stand am Ufer, als die Jolle anlegte, militärisch korrekt, mit hochgestellten Rudern wie zu einer Parade. Der junge Leutnant stieg in ein Eingeborenenboot und sprang dann mit einem eleganten Satz an Land. Sein erster Blick fiel auf Claudia, die mitten unter den Mädchen des Dorfes stand. Sie trug einen Eingeborenenrock und eine weitausgeschnittene bunte Bluse. In ihr braunes Haar hatte sie eine große dunkelrote Blüte gesteckt.
Der junge Leutnant lächelte sie mit einem unbefangenen Jungenlächeln an, dann hob er grüßend die Hand an seine Mütze, und dieser erste Blick brachte auch schon die Entscheidung.
Mit einem Ruck wandte er sich um und entdeckte Alexander Baumann. Neben ihm standen Marga, Volker und Titus Hansen. »Mr. Baumann?« fragte der junge Offizier.
»Das bin ich.« Baumann trat vor und streckte die Hand aus. Der Offizier nahm eine militärische Haltung an.
»Fred Dylon, Leutnant Ihrer Britischen Majestät Navy. Es freut mich, Sie begrüßen zu dürfen. Ich komme im Auftrag Seiner Exzellenz, des Herrn Gouverneurs Sir James Bullock. Abkommandiert zu Ihrer persönlichen Unterstützung.«
»Da ist doch etwas hinterm Busch!« flüsterte Hansen Marga zu. »Ohne Grund schicken die bestimmt keinen Offizier auf eine einsame Insel.«
»Wenn Sie mich bitte den Damen bekannt machen würden, Sir«, sagte Fred Dylon formvollendet.
Baumann lächelte. Gesellschaftsprotokoll auf einer vergessenen Insel! Er stellte Marga und Claudia vor, und während der junge Leutnant galant wie bei einem großen Empfang Marga die Hand küßte, sagte er mit seinem jungenhaften Lächeln zu Claudia: »Hallo!« Und sie antwortete ebenso ungezwungen: »Freut mich!«
Zunächst kam Bürgermeister Balolonga zu Wort. Er schwenkte seinen federgeschmückten Homburghut und begrüßte den ›Herrn Offizier‹ im Namen des ganzen Dorfes. Von seinem Felsenneste kam Dr. Rank herabgestiegen. Er hatte die zerzauste britische Fahne gehißt und danach einen kräftigen Schluck Gin genommen. »Werden wir etwa Marinebasis?« schrie er schon von weitem. »Muß das Scheißmilitär immer und überall auftauchen?«
»Ist er das?« fragt Fred Dylon. »Dr. Rank?«
»Sie kennen ihn?« Baumann lachte hellauf.
»Nur dem Namen nach. Wer spricht auf den Seychellen nicht von ihm? Er ist ja beinahe schon eine Legende.« Der Leutnant grüßte auch Rank militärisch korrekt, doch Vince winkte dankend ab.
»Laß das, Junge!« rief er. »Unangenehme Erinnerung an meine Militärzeit. Wenn ich da bei der Ausbildung am Feldwebel vorbeimarschierte und das Grüßen übte, kippte der vor Lachen schier aus den Socken und japste: Jetzt kommt unser Schimpanse wieder!« Er sah Fred Dylon forschend an. »Was wollen Sie eigentlich hier?«
»Helfen!« antwortete Dylon einfach.
»Beim Roden und Beete anlegen, was?«
»Wenn nötig, auch das! Man kann mich überall gebrauchen.«
»Und dazu schickt man einen Leutnant der britischen Marine? Hält man uns für Hirnatrophiker?«
Die Eingeborenen zerstreuten sich wieder. Der Bürgermeister überwachte die Ausschiffung des Gepäcks, zwei Seemannskoffer und einen Seesack. Es hatte wirklich den Anschein, als wolle sich Fred Dylon auf Aimée für längere Zeit etablieren.
»Wir
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