Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)
Eckhardt, sich immer schneller in der Luft zu drehen. Wie ein perverses Karussell. Seine Arme hoben sich langsam vom Körper weg, bis er aussah wie ein rotierender Jesus an einem unsichtbaren Kreuz.
Als Marion sah, dass sich ein fetter, schwarzer Käfer aus seinem linken Ohr drängte und in den kleinen See aus stinkender Salbe und Blut fiel, der sich auf dem Boden bildete, konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Sie erbrach sich in ihre Hände, sie zitterte und weinte, es war ihr egal, ob man sie entdecken würde.
Aber niemand sah sie.
Die Beteiligten standen zu Salzsäulen erstarrt um Eckhardt herum und beobachteten seine Verwandlung. Ebensowenig wie Marion hatten sie erwartet, was sie jetzt mit eigenen Augen sahen.
Marion erbrach sich wieder in ihre Hände, als sie direkt vor sich etwas sich bewegen sah. Langsam aber zielbewußt kroch der Käfer, der sich aus Eckhardts Ohr gewunden hatte, auf sie zu. Er war gewachsen, er war inzwischen so fett wie eine verdammte Frikadelle und Marion hätte schwören können, dass seine Augen fest auf sie gerichtet waren.
Aber genau das wollte sie gar nicht so genau wissen.
Für heute und für immer reichte ihr ihre Neugierde. Ohne auf die grauenvolle Versammlung vor ihr weiter zu achten, kroch sie auf allen Vieren zur Treppe und lief hinauf und in die hell erleuchtete Boutique, fiel in einen Kleiderständer und riss Armani und Boss mit sich auf den Boden, verschmierte Sakkos und Hemden mit ihrem Erbrochenen und gelangte endlich hinaus und weg von einer unauslöschlichen Erinnerung.
***
Unten ging die Verwandlung ihrem vorläufigen Ende entgegen. Eckhardt lag schlaff und kalkweiß am Boden, seine Getreuen deckten ihn mit Tüchern zu. Dort, wo die Salbe und Eckhardts Blut auf den Boden getropft waren, wuchsen häßliche , verkrüppelte Rosen mit braun-gefleckten Blättern.
Kap- 2
Mastemas Hunde
Wessel Kipp versuchte es. Er schwitzte trotz der Kälte, bemerkte nicht einmal den Wind, der durch die ungenügend abgedichteten Fensterlöcher fuhr und eisige Fäden durch den nur spärlich durch einen Kamin in der Ecke beheizten Raum zog. Trotz des Tageslichtes, das von draußen hereinfiel, herrschte winterliches Halbdunkel ..
Auf dem Tisch vor ihm drängten sich Phiolen, Flaschen, Beutel mit Substanzen deren Wirkung ihm selber teilweise unbekannt waren , Bücher und vergilbte Papierrollen, Horoskope und astronomische Berechnungen. Da fand sich das siebenbändige Anatomiebuch des Andreas Vesalius in einer neuen Übertragung, mit goldenen Lettern war die Jahreszahl 1582 in den Buchdeckel gedruckt, neben den Kopien der Astrologiebücher von al Kindi , Jabir ibn Hayyan und Abu Ma’shar und weiteren bedeutenden und unbedeutenden Werken der Alchimie. Aber in keinem der gelehrten Bücher hatte er etwas über den Umgang mit diesen Substanzen gefunden.
Er wischte sich die kräftigen Hände an seinem Kittel ab, steckte einen weiteren Kienspan in den Halter an der Wand hinter ihm und zündete ihn an, dann griff er erneut zu den beiden kleinen Flakons, von deren Inhalt er nun zu gleichen Teilen etwas in einer flachen Schale zusammengoß .
Seine Mundwinkel zuckten nervös. Er trat einen Schritt zurück, um sich dann aber sofort wieder über die kupferne Schale zu beugen.
Von draußen drang gedämpft das Geräusch kläffender Hunde herein.
Alles mögliche hatte er schon probiert, alle ihm bekannten Kombinationen mit anderen Substanzen versucht, aber umsonst.
Er hätte irgendeine Reaktion erwartet. Wenigstens eine Entwicklung von Qualm, eine Stichflamme, eine besondere Farbe, die sich aus den beiden Flüssigkeiten ergeben hätte, aber nichts davon trat ein. Das wäßrige Element ruhte in der Schale, durch nichts eine Wirksamkeit offenbarend.
Und es hatte solche Mühe gekostet, an die Phiolen heranzukommen. Er war mehrere Tagesreisen weit bis ins ferne Köln gereist um in den dortigen Kärchnergassen die Läden maurischer Einwanderer nach neuen, unbekannten Substanzen, die diese aus ihren Gegenden ins ferne Köln mitgebracht hatten, zu durchsuchen. Hier, an seinem Heimatort, war er weitgehend auf die vorkommenden Kräuter und Mineralien angewiesen. Von den Versuchen der arabischen Alchimisten wusste er einiges durch seine Bücher, jetzt hatte er endlich einmal einige der dort beschriebenen Substanzen selber mischen wollen.
Er nagte nervös an den Knöcheln seines rechten Zeigefingers und machte sich Notizen auf einem Stück Pergament.
Über die Tinkturen, die er
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