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Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Die Nacht des Ta-Urt (German Edition)

Titel: Die Nacht des Ta-Urt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Bödeker
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Ort, aber man bediente sich ihrer nicht, um den Kampf zu entscheiden. Es sollte ein Kampf in Brüderschaft bleiben, ein Kampf, in dem sich die Kontrahenten bewusst blieben, dass sie Teil des EINEN Heeres der Horla waren, die allein über Geburt und Tod, Gelingen und Misserfolg der Ernte entschied.

 
    ***

 
    Barnabas wandte sich in Wessels Richtung. Mit der Sicherheit eines erleuchteten Dieners Mastemas wusste er plötzlich, dass er diesen Mann töten musste, um einen seit ewigen Zeiten andauernden Kampf zu entscheiden. Er wusste nicht warum, aber das interessierte ihn auch nicht. Er gehorchte und darin lag seine Kraft. Er bewegte sich auf Wessel zu, der Käfer in ihm brannte heiß wie Feuer und schickte Wellen der Lust durch seinen Körper. Es jubilierte in ihm und er sog tief den Geruch des Blutes, des Schweißes und der Angst der Gegner in sich hinein.
    Diesen Kerl wollte er sterben sehen.

 
    ***

 
    Der Oberhuser kam auf Wessel zu.
    Wessel fürchtete den Kampf nicht. Wenn dieser Mann die Regeln brach und sich der Magie bediente um einen ungerechten Kampf zu führen, so wollte er das Gleichgewicht schon wieder herstellen.
    Aber etwas hielt ihn zurück.
    Er ahnte, dass dieser Kampf nicht hier und nicht heute Nacht, ja vielleicht gar nicht bei Nacht und im Traume zu entscheiden war. Dies war ein Kampf, der an anderer Stelle, zu anderer Zeit gewonnen werden musste.
    Rasch wandte er sich ab und verschwand im Wald.

 
    ***

 
    Carda Manne raffte ihre Röcke zusammen, hob den fallengelassenen Eimer wieder auf und ging weiter zum Brunnen auf der Mitte des Marktplatzes.
    Einzelne Schneeflocken tanzten in der Luft und verwandelten sich auf ihrem Gesicht in kalte Tränen. Ihr Herz tickerte noch erschreckt, aber das Wasser war im Moment wichtiger als die Angst davor, dass der große blaue Hund wiederkommen könnte.
    Als sie eben aus ihrem Haus gekommen war, war er plötzlich neben ihr erschienen, riesengroß und stinkend. Er war so groß, dass sein seltsam langgestreckter Kopf bis an ihre Schulter hinaufreichte.
    Deutlich hatte sie die unnatürlich starke Hitze, die von dem Tier ausging gespürt. Ganz leicht berührte die Schnauze des Hundes sie an ihrem Arm und es war ihr, als flüstere in diesem Moment jemand etwas in ihrem Kopf:
    „Wir stürzen ewig.“
    Die Stimme war wie ein Messer, das in ihr Herz schnitt. Zitternd war sie stehengeblieben und hatte sich umgeblickt.
    Der Hund war fort, wie in Luft aufgelöst und als sie auf den Boden sah, waren da im Schnee allein ihre Fußspuren, nichts zeugte von der Begegnung, allein ein schwacher, scharfer Geruch wehte gerade noch über den Platz.
    Es gab Dinge zwischen Himmel und Erde, die keine Spuren in dem hinterließen, was wir durch Gottes Willen sehen können. Mit solchen Dingen war sie seit ihrer Kindheit vertraut und so war sie gefaßt , dass diese kurze Begegnung ein Zeichen kommenden Unheils war, sie ahnte aber noch nicht, dass sie eben einen Boten gesehen hatte. Einen Boten, der den Anfang von etwas ankündigte.
    Langsam ließ sie ihren Eimer an einem Seil den Brunnen hinab und blickte nachdenklich in den Schacht, auf dessen Grund sich das Wasser leicht wie Geister bewegte.

 
    ***

 
    Wieder Zuhause angekommen, ging Carda zu ihrer mit schlichten Intarsien versehenen Truhe neben dem Bett und nahm ihre drei Tücher heraus. Es waren Taschentücher wie sie in feineren Häusern seit einiger Zeit Mode waren. Sie liebte diese Tücher, zum einen, weil sie ihren wertvollsten Besitz darstellten, zum anderen, weil sie für sie eine Verbindung zu einer Art Leben darstellten, welches sie nur kurz kennengelernt hatte, eine Art Leben, wie es für Frauen vorgesehen war.
    Immer wenn sie den harten aber gleichmäßig gewobenen und mit wunderbaren Spitzen versehenen Stoff zwischen ihren Fingern hin und her gleiten ließ, dachte sie mit einer Mischung aus Zweifel und Wehmut daran, dass ihr etwas vorenthalten worden war, was sie ernstlich nie vermissen würde. Nur schwer hätte sie sich einfügen können, das wusste sie, aber trotz ihres eigensinnigen Temperaments fühlte sie doch eine Art Sehnsucht nach den überschaubaren Verhältnissen einer Ehe.
    Sie rieb die schönen Tücher zwischen ihren Händen, hier und da wurde der Stoff schon etwas dünn, sie durfte nicht so oft an die Truhe gehen und sie herausholen. Sie seufzte, legte die Tücher zurück und nahm einen kleinen, aus Eichenholz geschnitzten Vogel heraus. Den hatte ihr Bruder ihr einst geschenkt. Er hatte ihn

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