Die Nacht des Zorns - Roman
entmutigt. »Elf insgesamt in der Region, fünf allein im Departement.«
»Ist unter diesen elf Vereinen ein etwas vornehmerer?«
»Die Compagnie de la Marche in Quitteuil-sur-Touques. Dort muss man zwei Bürgen unter den anderen Mitgliedern haben, sonst kommt man gar nicht rein.«
»Perfekt. Frag an, ob Denis bei ihnen eingeschrieben ist.«
»Und wie? Die Auskunft geben die mir niemals. Diese Zirkel schützen ihre Mitglieder. Und ich habe nicht die Absicht, ihnen zu sagen, dass die Gendarmerie eine Ermittlung über den Vicomte eröffnet.«
»Dazu wäre es in der Tat zu früh.«
Émeri lief im Raum auf und ab, mit steif aufgerichtetem Oberkörper, Hände im Rücken, das Gesicht verschlossen.
»Also gut«, sagte er nach einem Moment unter Adamsbergsbeharrlichem Blick. »Ich werde es mit einem Bluff versuchen. Gehen Sie alle drei hinaus, ich hasse es, vor Publikum zu lügen.«
Zehn Minuten später öffnete der Capitaine die Tür und bedeutete ihnen mit einer etwas unwilligen Geste, wieder hereinzukommen.
»Ich habe mich als ein gewisser François de Rocheterre ausgegeben. Ich habe erklärt, dass der Vicomte de Valleray bereit sei, für meinen Antrag auf Mitgliedschaft in der Compagnie die Bürgschaft zu übernehmen. Ich habe gefragt, ob es nötig sei, dass ich zwei Bürgen benenne, oder ob die Empfehlung des Vicomte allein genüge.«
»Sehr gut«, meinte Blériot.
»Sparen Sie sich Ihren Kommentar, Brigadier. Ich pflege redlich zu arbeiten, ich mag solchen Humbug nicht.«
»Ergebnis?«, fragte Adamsberg.
»Ja«, seufzte Émeri, »Valleray ist in der Tat Klubmitglied. Und er ist ein guter Schütze. Aber er hat nie eingewilligt, am Preisschießen der Liga der Normandie teilzunehmen.«
»Wohl zu gewöhnlich«, sagte Veyrenc.
»Sicher. Aber jetzt haben wir ein Problem. Der Sekretär des Klubs redete ein bisschen viel. Nicht weil es ihm Vergnügen machte, mich zu informieren, sondern weil er mich testen wollte. Er war misstrauisch, da bin ich sicher. Was bedeutet, dass die Compagnie de la Marche Denis de Valleray möglicherweise anrufen wird, um herauszufinden, ob er einen gewissen François de Rocheterre tatsächlich kennt. So dass Denis mitkriegen wird, dass jemand unter falschem Namen sich Fragen über ihn stellt.«
»Und speziell über seine Fähigkeiten als Armbrustschütze.«
»Genau. Denis ist keine große Leuchte, aber er wird schnell begreifen, dass man ihn des Mordes an Mortembot verdächtigt. Seien es die Bullen, sei es ein Unbekannter. Er wird auf der Hut sein.«
»Oder die Sache schnell hinter sich bringen. Hippo und Lina beseitigen.«
»Lachhaft«, sagte Émeri.
»Denis hat alles zu verlieren«, insistierte Adamsberg. »Denk mal ernsthaft darüber nach. Das Beste wäre, eine Wache vor dem Schloss aufzustellen.«
»Kommt nicht in Frage. Ich würde den Grafen und den Vicomte, also meine gesamte Hierarchie, am Hals haben. Unmotivierte Überwachung, diffamierende Verdächtigungen, professioneller Fauxpas.«
»Stimmt«, gab Veyrenc zu.
»Dann überwachen wir das Haus der Vendermots. Aber das ist viel unsicherer. Kannst du Faucheur noch einmal herbitten?«
»Ja.«
»Es ist nicht nötig, bevor es richtig dunkel wird. Wir fangen um zehn Uhr abends an und hören um sechs Uhr morgens auf. Macht acht Stunden Überwachung, das können wir einrichten.«
»Ausgezeichnet«, räumte Émeri ein, der plötzlich sehr müde zu sein schien. »Wo ist Danglard abgeblieben?«
»Er leidet unter den Nachwirkungen. Er ist zurückgefahren.«
»So dass ihr nur noch zu zweit seid.«
»Das wird reichen. Du übernimmst die Wache von 22 Uhr bis zwei Uhr, danach löse ich dich mit Veyrenc ab. Wir haben vorher noch Zeit, in der
Wildsau
zu Abend zu essen.«
»Nein, wir machen es umgekehrt. Ich übernehme die zweite Wache mit Faucheur, von zwei Uhr bis sechs. Ich bin kaputt, ich muss mich erst mal hinlegen.«
46
Es war drei Tage her, dass Adamsberg ein Buch aus Léos Bibliothek mit ins Krankenhaus gebracht hatte. Er hatte der alten Dame das Haar gekämmt und sich dann, auf einen Ellbogen gestützt, an ihr Bett gesetzt und ihr etwa zwanzig Seiten daraus vorgelesen. Es war ein altes Buch und erzählte von den Verwicklungen einer leidenschaftlichen Liebe, die nur in der Katastrophe enden konnte. Die Sache schien die alte Frau nicht sonderlich zu begeistern, aber sie lächelte oft während der Lektüre und bewegte rhythmisch den Kopf und die Finger, als würde sie ein Lied hören und keine Geschichte. Heute hatte
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