Die Nacht des Zorns - Roman
Danglard. Es war ziemlich plump, aber nicht dumm. Adamsberg bat ihn, die Jungs nach Porto zu fahren, das heißt in die entgegengesetzte Richtung zu der, die sie bisher eingeschlagen hatten. Und es gab noch keinerlei Nachricht über Retancourts Nachforschungen. Also noch zu früh, um sie wieder über die Grenze zu bringen.
»Tut sich was in Ordebec?«
»Es stinkt so vor sich hin. Heute Nacht vielleicht.«
Adamsberg kam zu Veyrenc an den Tisch zurück und aßsein fast kalt gewordenes Fleisch zu Ende. Ein Donnerschlag erschütterte auf einmal die Mauern des Restaurants.
»Die Wolken im Westen«, murmelte Adamsberg und wies mit der Gabel nach oben.
Die beiden Männer begannen ihre Nachtwache unter prasselndem Regen und dem Krachen der Blitze. Adamsberg hielt sein Gesicht in die Sintflut. In solchen Gewittermomenten fühlte er sich partiell verbunden mit der Masse an Energie, die dort oben grundlos, ziellos sich entlud, ohne anderen Impuls als die Entfaltung einer ebenso phantastischen wie nutzlosen Macht. Einer Macht, die ihm in diesen letzten Tagen sehr gefehlt hatte, einer Macht, die sich ausschließlich in den Händen des Gegners befunden hatte. Und die heute Abend endlich bereit war, auf ihn herabzuströmen.
47
Die Erde war am Morgen noch nass, und Adamsberg, der unter seinem Frühstücksapfelbaum saß, die Zuckerdose wohlweislich im Rücken, fühlte, wie seine Hosenbeine sich mit Feuchtigkeit vollsogen. Mit seinen nackten Füßen versuchte er Gräser zu fassen und sie zwischen den Zehen durchzuziehen. Die Temperatur war um mindestens zehn Grad gefallen, der Himmel war diesig, aber die Morgenwespe hatte sich unverzagt wieder eingefunden. Hellebaud pickte in vier Meter Entfernung von der Schwelle seines Zimmers, was ein bemerkenswerter Fortschritt war. Keinen hingegen gab es auf Seiten des Mörderphantoms, die Nacht war ruhig verlaufen.
Blériot kam auf ihn zugerannt, so schnell seine Körperfülle es ihm erlaubte.
»Ihre Mailbox ist voll«, sagte er schnaufend, als er auf seiner Höhe ankam.
»Wie?«
»Ihre Mailbox, sie ist voll. Ich konnte Sie nicht erreichen.«
Tiefe Schatten unter den Augen, unrasierte Wangen.
»Was ist los, Brigadier?«
»Denis de Valleray hätte die Vendermots heute Nacht kaum umlegen können. Er ist tot, Kommissar. Beeilen Sie sich, man wartet auf Sie im Schloss.«
»Wie denn tot?«, schrie Adamsberg und rannte mit bloßen Füßen zu seinem Zimmer.
»Er hat sich aus dem Fenster gestürzt«, schrie Blériot seinerseits, wenn auch sehr widerwillig, denn so was gehörte nicht gerade zu den Dingen, die man lauthals herausschrie.
Adamsberg nahm sich nicht die Zeit, eine trockene Hose anzuziehen, schnappte sein Telefon, fuhr so, wie er war, in seine dastehenden Schuhe und lief, Veyrenc wachzurütteln. Vier Minuten später stieg er in das alte Auto des Brigadiers.
»Berichten Sie, Blériot, ich höre Ihnen zu. Was weiß man?«
»Der Graf hat Denis heute Morgen um 8 Uhr 05 gefunden, er hat Émeri angerufen. Der Capitaine ist ohne Sie hin, Sie waren nicht erreichbar. Mich hat er losgeschickt, Sie zu suchen.«
Adamsberg biss sich auf die Lippen. Als sie von ihrer Nachtwache zurückkamen, hatten er und Veyrenc ihre Telefone ausgeschaltet, um unbefangen über die beiden flüchtigen jungen Leute reden zu können. Und er hatte vergessen, seinen Akku vor dem Schlafengehen wieder reinzustecken. Da er sein Telefon immer als persönlichen Feind betrachtete, was es in der Tat auch war, hatte er ihm nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.
»Was sagt er?«
»Dass Denis de Valleray sich umgebracht hat, darüber bestünde kein Zweifel. Der Leichnam riecht förmlich nach Whisky. Émeri meint, dass der Vicomte sich regelrecht hat volllaufen lassen, um den Mut dazu zu finden. Ich bin mir da nicht so sicher. Denn der Vicomte war krank, er hat sich aus dem Fenster gelehnt, um sich zu übergeben. Seine Zimmer sind in der zweiten Etage, und der Hof darunter ist gepflastert.«
»Könnte er das Gleichgewicht verloren haben?«
»Ja. Die Fenstergitter im Schloss sind sehr niedrig. Aber da zwei von seinen Schachteln mit Beruhigungsmitteln fast leer sind und die mit den Schlaftabletten geöffnet war, nimmt der Capitaine an, dass er sich umbringen wollte.«
»Wann etwa?«
»Gegen Mitternacht oder ein Uhr morgens. Dieses Mal ist die Gerichtsmedizinerin schon unterwegs, und die vonder Spurensicherung sind es auch. Wenn es sich um den Vicomte handelt, sind sie schneller.«
»Nahm er viele
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