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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Medikamente?«
    »Sie werden sehen, sein Nachttisch liegt voll davon.«
    »Trank er?«
    »Sagt man. Aber nie so viel, dass er betrunken gewesen wäre, oder krank. Das Blöde ist«, sagte Blériot mit einer Grimasse, »dass Émeri behauptet, Denis hätte sich nicht umgebracht, wenn Sie nicht diese Ermittlung über seinen Armbrustschützenverein eingeleitet hätten.«
    »Es wäre also meine Schuld?«
    »Gewissermaßen. Denn gestern Abend ist der Sekretär der Compagnie bereits zum Aperitif auf dem Schloss erschienen.«
    »Die trödeln ja nicht.«
    »Aber danach, beim Abendessen, habe Denis nach Aussage des Grafen durchaus nicht bedrückt gewirkt. Allerdings achtet in dieser Familie niemand wirklich auf den anderen. Jeder speist für sich, an seiner Ecke eines riesigen Tischs, ohne dass sie drei Worte miteinander wechseln. Keine andere Zeugenaussage, seine Frau ist mit den Kindern in Deutschland.«
    »Demnach müsste Émeri ja auch denken, dass, wenn der Vicomte sich umgebracht hat, er in der Tat schuldig war.«
    »Das sagt er auch. Sie kennen den Capitaine ja ein bisschen. Er steigt auf sein hohes Ross – und das kann man wohl sagen bei dem Ururenkel eines Marschalls –, aber er kommt auch gleich wieder herunter. Er sagt nur, Sie hätten es anders anstellen sollen. Mit größerer Umsicht an die Sache herangehen, die Beweise in aller Stille sammeln und Denis einstweilen unter Beobachtung stellen. Dann wäre er jetzt nicht tot.«
    »Dafür lebenslänglich im Gefängnis, und seine Bluttaten würden in aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Genau das, was er nicht gewollt hat. Wie hat der Graf es aufgenommen?«
    »Er ist schockiert, hat sich in seiner Bibliothek eingeschlossen. Aber kein Kummer. Die beiden konnten sich nicht mehr ausstehen.«
    Adamsberg erreichte Émeri auf seinem Mobiltelefon, zwei Kilometer vom Schloss entfernt.
    »Ich habe das Papier«, sagte der Capitaine hart.
    »Was für ein Papier?«
    »Herrgott, dein verfluchtes Testament. Also gut, du hattest recht, die beiden Vendermot-Kinder erben, jeder ein Drittel. Einziger Vorteil für Denis, er behält das Schloss.«
    »Hast du mit dem Grafen darüber geredet?«
    »Man kriegt nichts aus ihm heraus, er ist auf einmal schneidend wie Feuerstein. Ich glaube, er weiß nicht, wie er die Situation beherrschen soll.«
    »Und was sagt er zu den von Denis begangenen Morden?«
    »Er weist alles en bloc zurück. Er gibt zu, dass ihm sein Stiefsohn nicht sympathisch war, und umgekehrt. Aber er behauptet, dass Denis weder die drei Männer getötet noch Léo niedergeschlagen, noch Commandant Danglard auf das Bahngleis gestoßen haben kann.«
    »Argument?«
    »Weil er ihn seit seinem dritten Lebensjahr kennt. Und er wird sich felsenfest an seine Version klammern. Die Angst vor dem Skandal, du verstehst.«
    »Und was ist seine Version?«
    »Dass Denis so viel getrunken hat, bis ihm schlecht wurde, aus einem persönlichen Grund, den man nicht kennt. Dass er, als ihm übel wurde, zum Fenster gestürzt ist, um sich zu erbrechen. Dass das Fenster offenstand, um die Gewitterkühle hereinzulassen. Dass ihm schwindelig wurde und er rausgefallen ist.«
    »Und was denkst du?«
    »Du bist nicht ganz unschuldig daran«, grummelte Émeri. »Der Besuch vom Sekretär der Compagnie hat ihnalarmiert. Er hat sich eine Mischung aus Tabletten und Alkohol reingezogen und ist daran gestorben. Aber nicht so, wie er gewollt hätte. Nicht, indem er, auf seinem Bett liegend, das Bewusstsein verloren hätte. Er ist zum Fenster getaumelt, hat sich hinausgelehnt, um sich zu übergeben, und ist gefallen.«
    »Gut«, meinte Adamsberg, ohne auf den Vorwurf des Capitaine einzugehen. »Wie hast du es angestellt, dem Grafen das Testament zu entreißen?«
    »Mit Druck. Indem ich ihm gesagt habe, dass ich den Inhalt kenne. Da war er in die Enge getrieben. Schmutziges Geschäft, Adamsberg, abstoßend. Ohne Anstand, ohne Größe.«
     
    Adamsberg besah sich den zerschmetterten Kopf des Vicomte, die Höhe des Fensters, das niedrige Gitter, die Lage des Körpers, das Erbrochene, das über den Boden gespritzt war. Der Vicomte war in der Tat aus seinem Zimmer herabgestürzt. In dem großen Raum war eine Whiskyflasche auf den Teppich gerollt, und drei Tablettenschachteln lagen geöffnet neben dem Bett.
    »Ein Neuroleptikum, ein Anxiolytikum und ein Schlafmittel«, sagte Émeri, nacheinander auf die Schachteln zeigend. »Er saß schon auf dem Bett, als er sie eingenommen hat.«
    »Ich sehe«, sagte Adamsberg, den

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